Die Vertrauensfrage ist ein scharfes Schwert der deutschen Politik. Nun nutzt Bundeskanzler Olaf Scholz das Machtinstrument, um Neuwahlen zu erzwingen. SRF-Korrespondentin Alexandra Gubser erklärt, was heute Montag im Bundestag in Berlin passiert – und wie es weitergeht.
Warum stellt Kanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage?
Indem Kanzler Scholz den Finanzminister Christian Lindner (FDP) Anfang November vor die Tür gesetzt hat, ist die Ampelkoalition faktisch am Ende. Die beiden verbleibenden Parteien – SPD und Grüne – verfügen im Bundestag über keine eigene Mehrheit mehr und kann ohne Zustimmung der Opposition keine Vorhaben mehr durchbringen. Weil sich Scholz nicht mit einer Minderheitsregierung bis zum regulären Wahltermin Ende September durchhangeln will, stellt er im Parlament die Vertrauensfrage. Es ist die einzige Möglichkeit für ihn, vorgezogene Bundestagswahlen herbeizuführen. Wird diese im Bundestag negativ beantwortet, ist der Weg frei für Neuwahlen.
Wird Scholz die Vertrauensfrage verlieren?
Ja, mit allergrösster Wahrscheinlichkeit. Scholz müsste, um das Vertrauen des Parlaments zu bekommen, 367 Stimmen erreichen – die absolute Mehrheit der 733 Abgeordneten im Bundesstag. Die SPD will ihrem Kanzler zwar das Vertrauen aussprechen, die Grünen, die 117 Mandate haben, wollen sich enthalten. Bei allen anderen Parteien kann man davon ausgehen, dass sie geschlossen gegen Scholz stimmen.
Welche Rolle spielen AfD und die Grünen?
Dass sich die Grünen bei der Abstimmung enthalten wollen, ist eine Sicherheitsmassnahme. Denn es wurden Gerüchte laut, dass die AfD aus taktischen Gründen – und weil die Rechtsaussen-Partei einfach Chaos stiften will – für Scholz stimmen könnte. Würden die Grünen dem Kanzler das Vertrauen aussprechen, käme rein rechnerisch mit der AfD mit 76 Abgeordneten eine Mehrheit zustande.
Wie geht es nach der Vertrauensfrage weiter?
Nach der verlorenen Vertrauensabstimmung wird Olaf Scholz persönlich beim Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier um die Auflösung des Bundestags bitten. Dafür hat der Bundesspräsident drei Wochen Zeit, bis zum 6. Januar. Es ist bereits ausgemacht, dass Steinmeier zustimmt. Dann muss die Neuwahl innerhalb von 60 Tagen erfolgen. SPD, Grüne und die Oppositionsparteien CDU und CSU haben sich ja bereits auf den 23. Februar als realistischen Wahltermin geeinigt.