Eine Markthalle im Shanghaier Stadtzentrum. Die Klimaanlage brummt, das Rentnerpaar Yang schaut in die Fleischauslage. Teuer sei alles geworden, sagt Herr Yang. Der Metzger hinter der Theke beschwichtigt. Es stimme zwar: Die Preise seien im Vergleich zum Vorjahr ein Drittel gestiegen. Aber man gebe nicht die ganze Preissteigerung an die Konsumenten weiter.
Als die Afrikanische Schweinepest im letzten Sommer ausbrach, habe er sich grosse Sorgen gemacht, sagt Metzger Liu. Inzwischen hätten sich die Preise aber stabilisiert, die Regierung habe das Problem gut unter Kontrolle.
Gewichtiger Wirtschaftsfaktor
Schweinefleisch ist aus der chinesischen Küche kaum wegzudenken und hat somit auch einen grossen Einfluss auf die chinesische Wirtschaft – und beim Konsumentenpreis-Index CPI.
Und so wird der CPI in China manchmal auch halb scherzhaft als «Consumer Pork Index» bezeichnet. Die Regierung setzt deshalb alles daran, die Preise stabil zu halten. Professor Zhu Ning vom Shanghai Advanced Institute for Finance sagt, wegen der Schweinepest werde die Nachfrage nach Schweinefleisch aus dem Ausland steigen, weil ein Herstellungszyklus so lange dauert. «Wir rechnen mit 12 bis 18 Monaten.»
Das Problem sei also ein temporäres. China werde die Engpässe in dieser Zeit mit Importen und bereits vorhandenen Vorräten überbrücken können. Das Problem mit der Schweinepest sei also bald gelöst, ist Zhu überzeugt.
Immense Schweinedichte in China
Epidemiologe Dirk Pfeiffer ist zurückhaltender. Der Professor an der City University in Hongkong beschäftigt sich mit der Afrikanischen Schweinepest. In keinem Land auf der Welt sei die Schweinedichte höher als in China, sagt er. Ausserdem hätten 97 Prozent der Schweinebauern weniger als 100 Schweine. Das sind Millionen. «Wie will man die Krankheit so ausrotten?»
Pfeiffer schätzt die Schweinepopulation auf rund 400 Millionen Tiere. Chinas wirtschaftlicher Erfolg das schnelle Wachstum seien dafür verantwortlich, dass die Tierproduktionssysteme nicht hätten mithalten können. Auch nicht die Hygienestandards.
Die Tiere zu schlachten helfe auch nicht. Denn das Virus überlebe im Fleisch und verbreite sich über Lebensmittel oder ungenügend gereinigte Transportlastwagen weiter. «China wird die Afrikanische Schweinepest wohl nicht ganz besiegen», so Pfeiffer. Deshalb müsse sich das Land darauf einstellen, damit zu leben. Dazu gehöre auch, dass die Preise für Schweinefleisch steigen.
Schweinepest als Chance?
Beim Verband der Schanghaier Fleischhändler ist man sich dessen bewusst. Sprecherin Xu Yong sieht die Afrikanische Schweinepest dennoch als Chance. «Grosse Unternehmen steigen jetzt vermehrt in die Branche ein. Investoren interessieren sich für Schweinefleisch. Das könnte ja eine gewisse Standardisierung mit sich bringen und auch Reformen», glaubt sie.
Kleinbauern, die auf dem Hof nebenbei ein zwei Schweine halten braucht es dann nicht mehr. Grössere Betriebe und einheitlichere Abläufe – ob das die Lösung ist, ist jetzt noch schwer abzuschätzen.
Auch ist nicht klar, wie gross die Epidemie in China tatsächlich ist. Sorgen machen sich deshalb auch Länder in Chinas Nachbarschaft. Die Afrikanische Schweinepest hat mittlerweile auch Vietnam, die Mongolei und Kambodscha erreicht. Und auch die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong ist betroffen. Ein baldiges Ende ist nicht in Sicht.