Es ist das erste Mal seit Ausbruch des Krieges, dass der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski persönlich in die Schweiz reist. Unter enormen Sicherheitsvorkehrungen wird er heute Abend in Bern von Bundespräsidentin Viola Amherd sowie den Bundesräten Ignazio Cassis und Beat Jans empfangen.
Dessen ungeachtet haben die Ukraine und die Schweiz ihre Beziehungen schon vor dem ersten physischen Präsidentenbesuch gepflegt. Das hat teilweise auch für Kritik gesorgt. Eine Übersicht.
April 2022: Irène Kälin reist mit Delegation nach Kiew
Die Erste, die sich nach Ausbruch des Krieges am 24. Februar 2022 offiziell nach Kiew wagte, war Nationalratspräsidentin Irène Kälin. Die höchste Schweizerin reiste am 27. April 2022 mit einer Parlamentsdelegation nach Kiew.
Nach ihrer Rückkehr musste sie sich verteidigen: Die Schweiz sei nicht instrumentalisiert worden. Die Gegenseite wisse und akzeptiere, dass die Schweiz neutral sei. «Ich würde jederzeit wieder gehen», sagte Kälin.
Juli 2022: Ukraine-Konferenz: Schmihal in Lugano, Selenski zugeschaltet
Am 4. und 5. Juli 2022 fand in Lugano eine Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine statt. Dort trafen sich hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus rund 40 Ländern.
Aus der Ukraine angereist war etwa der ukrainische Ministerpräsident Denis Schmihal.
Bundespräsident Cassis und Schmihal haben an der Konferenz die «Erklärung von Lugano» vorgestellt. Darin sicherten die Konferenzteilnehmer der Ukraine etwa volle Unterstützung beim Wiederaufbau zu.
Oktober 2022: Ignazio Cassis reist nach Kiew
Etwas Zeit für einen persönlichen Besuch in Kiew liess sich Bundesrat Cassis. Der Aussenminister reiste am 20. Oktober 2022, also rund acht Monate nach Kriegsausbruch, in die Ukraine und machte sich dort ein Bild der Lage.
Die Reise nach Kiew war nicht angekündigt worden. Von Schweizer Politikern gab es vor allem Lob für die Reise – aber nicht nur:
Cassis war zuvor Ende Oktober 2021, also noch vor dem Krieg, das letzte Mal in Kiew gewesen und traf unter anderem auch Selenski. Im Zentrum des dreitägigen Staatsbesuchs stand damals die Vorbereitung einer Reformkonferenz für die Ukraine.
Januar 2023: Olena Selenska spricht am WEF
Die ukrainische Präsidentengattin Olena Selenska reiste vor einem Jahr nach Davos, um dort am WEF aufzutreten. Präsident Wolodimir Selenski meldete sich per Video zu Wort.
Juni 2023: Selenski spricht im Schweizer Parlament – per Video
Am 15. Juni 2023 hat sich Wolodimir Selenski in einer Videobotschaft an das Schweizer Parlament gewandt.
Die Stühle im Nationalrat waren nicht alle besetzt, ein paar FDP-Politiker fehlten, und in den Reihen der SVP sass kaum jemand. Die SVP fand es falsch, dem ukrainischen Präsidenten einen Auftritt im Parlament zu erlauben.
Juni und November 2023: Berset trifft Selenski
Bundespräsident Alain Berset führte am Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) Anfang Juni in Moldau eine Reihe bilateraler Gespräche mit anderen Staats- und Regierungschefs. Auch mit Selenski tauschte er sich aus. Er habe mit dem ukrainischen Präsidenten über alle Elemente gesprochen, bei denen die Schweiz aktiv sei und bei denen sie eine Rolle spielen könne, sagte Berset im Nachgang.
Später im Jahr reiste Berset überraschend nach Kiew: Am 25. November 2023 nahm er an einem internationalen Gipfel zur Ernährungssicherheit teil. Dabei traf er auch Selenski. Nach einem Vieraugengespräch musste der Bundespräsident wegen eines Raketenalarms vorübergehend in Sicherheit gebracht werden.