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Merkwürdige Vorgänge in Minsk
Aus SRF 4 News aktuell vom 30.07.2020. Bild: Imago
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Seltsame Verhaftungen in Minsk «So dumm würden sich die Russen wohl kaum anstellen»

Es ist eine Geschichte wie aus einem Polit-Thriller, sie hat sich aber so in Minsk zugetragen, der Hauptstadt Weissrusslands. Die Polizei stürmte ein Sanatorium und verhaftete 33 russische Staatsbürger. Diese seien Söldner und hätten Weissrussland destabilisieren wollen, hiess es. Plante der Kreml wirklich einen Angriff? SRF-Korrespondent David Nauer hat Zweifel.

SRF News: Vieles, was sich abgespielt hat, ist noch unklar. Was ist sicher?

David Nauer: Die gut 30 Männer, die festgenommen wurden, gibt es wirklich. Es gibt auch eine Liste mit Namen und Geburtsdaten der Männer, zudem TV-Aufnahmen von der Festnahme. Die Männer sollen zur berüchtigten Truppe Wagner gehören. Es gibt Hinweise, dass das tatsächlich stimmt. Was nicht sicher ist, ist, was das Ziel des Aufenthalts dieser Männer in Weissrussland war. Angeblich wollten sie vor der Präsidentschaftswahl von nächster Woche das Land destabilisieren. Die verhafteten Männer selber schweigen.

Was an der Geschichte ist merkwürdig?

Es beginnt schon mit der Art und Weise, wie das Ganze publik wurde. Das weissrussische Fernsehen und staatliche Medien erzählten, diese Söldner seien aufgefallen, weil sie sich nicht wie normale russische Touristen verhalten hätten. Sie seien in Militärkleidern herumgelaufen, hätten kaum Gepäck gehabt und hätten in diesem Sanatorium ständig Sport getrieben. Und die Männer hätten keinen Alkohol getrunken, was sehr untypisch sei für russische Touristen. Das ist schon fast eine komödiantisches Element.

Wenn die Russen tatsächlich Böses im Schilde geführt hätten in Weissrussland, dann würden sie wohl nicht Dutzende Männer zusammen in Militäruniformen gekleidet in ein Sanatorium schicken.

Aber: Wenn die Russen tatsächlich Böses im Schilde geführt hätten in Minsk, dann hätten sie wohl nicht Dutzende Männer zusammen in Militäruniformen gekleidet in ein Sanatorium geschickt. Das ist doch sehr auffällig. Und Spezialoperationen können die russischen Dienste durchführen. Das wissen wir seit der Krim-Annexion. So dumm werden die sich wohl kaum anstellen.

Wie reagiert der weissrussische Staatschef Alexander Lukaschenko darauf?

Er hat den Sicherheitsrat zusammengerufen. Dort wurde unter anderem beschlossen, die Grenzen besser zu bewachen. Er hat auch den russischen Botschafter einbestellt. Zudem sollen alle Präsidentschaftskandidaten bei der Wahlkommission antraben. Warum, weiss man nicht. Es wird spekuliert, dass weitere Massnahmen verkündet werden, bis hin zu einer Absage der Wahl. Lukaschenko selber beschuldigt die Russen, Böses geplant zu haben, sagt aber gleichzeitig, man müsse mit den russischen Behörden zusammenarbeiten, um herauszufinden, was da vorgehe. Das tönt alles etwas widersprüchlich.

Weissrusslands Staatschef Alexander Lukaschenko am Tisch mit dem Sicherheitsrat
Legende: Weissrusslands Staatschef Alexander Lukaschenko (Mitte) hat eigens den Sicherheitsrat zu den Vorgängen einberufen. Keystone

Was machten diese Männer Ihrer Meinung nach in Minsk?

Eine These, die mir plausibel scheint, ist, dass diese Männer im Transit in Minsk waren und dass sie eigentlich nach Afrika weiter wollten. Dort sind tatsächlich russische Söldner im Einsatz. Zudem sieht man auf TV-Bildern Dinge, die diesen Männern gehörten, unter anderem ein arabisches Flugblatt und eine Banknote aus dem Sudan. Es könnte durchaus sein, dass sie weiterreisen wollten, zum Beispiel in den Sudan, dann bei diesem Zwischenstopp aus irgendeinem Grund sitzen geblieben sind und von Lukaschenko festgenommen wurden – mutmasslich aus innenpolitischen Gründen.

Eine andere These ist (...), es könne zu Unruhen kommen, und für diesen Fall habe Moskau Schattenkrieger nach Weissrussland geschickt.

Eine andere These ist, dass der Kreml fürchtet, Lukaschenkos Regime könnte bei der Wahl nächste Woche ins Wanken geraten. Es könne zu Unruhen kommen, und für diesen Fall habe Moskau Schattenkrieger nach Weissrussland geschickt, um eingreifen zu können.

Das Gespräch führte Hans Ineichen.

SRF 4 News, 30.07.2020, 07:45 Uhr ; 

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