Worum geht es? In Italien flammt die Debatte um Sexismus und Missbrauchsfälle wieder auf, nachdem die beiden Schauspielerinnen-Organisationen Amleta und Differenza Donna vor den Medien erneut auf das Thema aufmerksam gemacht haben. Sie erhielten in den letzten zwei Jahren mehr als 200 Meldungen von Kolleginnen, die Opfer von sexueller Gewalt, Belästigungen und Übergriffen geworden sind. Namen von Belästigern wurden allerdings keine genannt, laut den beiden Organisationen befürchten die betroffenen Frauen Nachteile im Berufsleben.
Die Me-Too-Debatte in Italien hatte keine direkten Folgen für die Männer.
Wie reagiert man darauf? Das Medienecho auf die Medienkonferenz in Italien war recht bescheiden. Die Journalistin Virginia Kirst in Rom führt das jedoch in erster Linie darauf zurück, dass sich die Medien an ebendiesem Tag vor allem auf die Verhaftung des höchsten Cosa-Nostra-Mafiabosses und den Tod von Gina Lollobrigida konzentrierten. «Die Missbrauchsvorwürfe sind zwar durchaus ein Thema in Italien, aber nicht das derzeit dominierende», so Kirst.
Endlich Me-Too-Debatte in Italien? Anders als in manchen deutschsprachigen Medien dargestellt, war die Me-Too-Debatte 2017 in Italien durchaus auch ein Thema. Denn mit Asia Argento war auch eine italienische Schauspielerin vom inzwischen erstinstanzlich verurteilten Filmproduzenten Harvey Weinstein sexuell belästigt worden. Zahlreiche Schauspielerinnen, die in Italien Ähnliches erlebt hatten, meldeten sich in der Öffentlichkeit. Allerdings: «Die Me-Too-Debatte in Italien hatte keine direkten Folgen für die Männer», sagt Kirst. Niemand verlor seinen Job, niemand wurde verurteilt.
Die Frauen und die Missbrauchsvorwürfe werden in Italien nicht ernst genug genommen.
Wo harzt es? «Die Frauen und die Missbrauchsvorwürfe werden in Italien nicht ernst genug genommen», stellt die Journalistin fest. In Bel-Paese gälten Machismo, Sexismus und Frauenfeindlichkeit als normal, habe es auch an der Medienkonferenz der Schauspielerinnen-Verbände geheissen. Argumentiert wird dabei im Sinne: So sind die Männer halt, da kann man nichts machen. «Das merke auch ich bei meiner täglichen Arbeit: Junge Frauen haben hier in Italien einen anderen Stand in der Gesellschaft, als ich das aus anderen Ländern kenne», sagt Kirst.
Was ist speziell in Italien? «Das traditionelle Frauenbild in Italien geht in die Richtung: Entweder Mutter (=Heilige) – oder Hure.» Diese Haltung werde in gewissen Momenten immer wieder deutlich, so Kirst. Ein Umdenken finde nur langsam und nur bei den jüngeren Italienern statt. «Italien hinkt hier anderen Ländern hinterher», stellt die Journalistin fest. Immerhin: Das Thema werde immer öfter aufgegriffen. «Doch bis überall angekommen ist, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann, wird noch viel Zeit vergehen.»