Kuba kommt nicht zur Ruhe: Zwei starke Erdbeben haben den Südosten der Insel erschüttert. Zuvor hat Hurrikan Rafael Zerstörung und Überschwemmungen gebracht. Dazu kommen immer wieder grossflächige Stromausfälle. Nicht zuletzt steckt das kommunistische Land in einer der tiefsten Wirtschaftskrisen seit dem Ende der Sowjetunion Ende der Neunziger Jahre. Oscar Alba lebt als freier Journalist in Kuba, befindet sich derzeit in der Schweiz und erzählt, was ihm die Leute vor Ort berichtet.
SRF News: Wie geht es den Menschen in Kuba nach den Erdbeben vom Wochenende?
Oscar Alba: Sehr schlecht. Die Menschen auf Kuba fühlen sich seit Jahren wie im freien Fall. Sie haben das Gefühl, sie können sich nirgends mehr festhalten. Es geht immer tiefer und tiefer. Das ist eine dramatische Abwärtsspirale und schlägt stark auf die Stimmung.
Was erzählen die Menschen?
Das war einfach ein Schreck, der schnell wieder vorbeigeht. Dann wieder Stromausfälle. Im Vergleich zu dem, was die Kubaner seit langem erleben, ist es einfach noch etwas dazu. Und überhaupt nicht das Allerschlimmste, wenn man bedenkt, dass viele Menschen schon seit zwei, drei Jahren vor allem auf dem Land zum Teil 12 bis 18 Stunden täglich ohne Strom leben müssen. Auch sonst der akute Notstand in allen Lebensbereichen. Und da ist eine Regierung, die sich an die Macht klammert und unterdrückt. Sie kann den Menschen nichts mehr garantieren, was essenziell ist im Leben, wie Ernährung, Gesundheit oder Bildung.
Wie sind die Reaktionen?
Vor allem wegen der Stromausfälle gab es Proteste gegen die kommunistische Regierung.
Was bringen diese Proteste?
In einem Land, wo man nicht protestieren darf und zum Teil sehr schnell eingesperrt und mit hohen Haftstrafen belegt wird, ist es auch eine Ermächtigung der Zivilgesellschaft, die jetzt zu spüren ist. Da passiert schon etwas. Gleichzeitig steigt die Repression. Diese ist so hart wie noch nie in Kuba.
Es herrscht sehr, sehr viel Angst in Kuba.
Viele Menschen haben gar nicht die Zeit und Kraft, um zu protestieren, weil der Alltag ist so beschwerlich und mit so vielen Problemen befrachtet ist. Es herrscht zudem sehr, sehr viel Angst in Kuba. Bis jetzt hat sich deshalb nicht viel verändert.
Die Regierung bewegt sich also nicht. Welche Argumente nutzt sie, um die Menschen bei der Stange zu halten?
Die Menschen haben sich praktisch alle komplett von der Regierung und von diesem System abgewendet. Sie wird als kriminell, als menschenverachtend bezeichnet. Die Regierung hat seit Jahrzehnten immer die gleichen Argumente: Das amerikanische Embargo sei schuld, die Weltwirtschaftskrise. Die Gründe kommen immer von aussen. Aber das glaubt niemand mehr in Kuba. Man weiss ganz genau, dass es die Versäumnisse der eigenen Regierung sind und das starre Festhalten an der Macht und an einer alten Ideologie, die nicht funktioniert. An einem Wirtschaftssystem, das völlig am Boden ist. Diese Propaganda verfängt nicht mehr.
Wer irgendwie kann, der flüchtet von der Insel.
Kuba kommt also weiter nicht zur Ruhe. Wie schauen die Menschen dort nun in die Zukunft?
Das ist ein sehr trauriges Thema. Die Menschen sehen keine Zukunft mehr. Sie haben völlige Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit. Man sieht kein Licht am Ende des Tunnels, weil es einfach in den letzten Jahren immer mehr bergab ging und immer dunkler wurde. Auch buchstäblich mit diesen Stromausfällen. Der Massenexodus ist gewaltig. Kuba hatte vor fünf, sechs Jahren noch knapp elf Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Jetzt sind es noch knapp neun Millionen. Wer irgendwie kann, der flüchtet von der Insel.
Das Gespräch führte Rachel Beroggi.