Nordmazedonien hat vieles getan, um einem EU-Beitritt näherzukommen. So hat das Land zum Beispiel den Namen von Mazedonien zu Nordmazedonien geändert. Doch nun droht der Weg in die EU wieder steinig zu werden.
Ausgerechnet Katica Janeva – die Frau an der Spitze der Sonderstaatsanwaltschaft, die die mafiösen Geschäfte der früheren Regierung untersuchen sollte – steht unter Verdacht, in einen Erpressungsfall verwickelt zu sein. Am Mittwoch ist sie deswegen für 30 Tage in Untersuchungshaft genommen worden. Es bestehe Verdunklungsgefahr.
Proteste gegen Gruevski
Janeva nahm ihre Arbeit auf, nachdem vor vier Jahren «die Bomben» geplatzt waren, wie man in Nordmazedonien sagt. Abhörbänder des Geheimdienstes von Nikola Gruevski, dem ehemaligen Ministerpräsidenten, kamen an die Öffentlichkeit und zeigten, was da für Leute mit welchen Methoden regierten. Dies löste eine Protestwelle aus.
Jeden Tag versammelten sich die Demonstranten vor dem Gebäude, in dem Janeva ihr Büro hatte. Sie und ihre zwei Kolleginnen wurden zu landesweit bekannten Symbolfiguren des grossen Reinemachens. In Windeseile sichteten sie das Beweismaterial und bereiteten Anklagen gegen Gruevski und dessen Entourage vor.
Hoffnungen in Janeva gesetzt
Die Proteste gegen die Regierung dauerten Monate. Schliesslich, nach Neuwahlen und einem politischen Seilziehen, musste Gruevski die Macht an den jetzigen Regierungschef, den Sozialdemokraten Zoran Zaev abgeben.
Dieser versprach, wieder einen Rechtsstaat aufzubauen. Aus Janevas Sonderstaatsanwaltschaft, die bisher nur provisorischen Charakter hatte, soll eine dauerhafte Institution werden. Sie soll nicht nur im Fall der «Bomben» ermitteln dürfen, sondern auch in allen anderen Fällen von Korruption bei hohen Amtsträgern. Dies ist den Anhängern des alten Regimes und jener Leute, die vorsichtshalber die Seiten gewechselt haben, ein Dorn im Auge.
Janeva bestreitet, von etwas gewusst zu haben
Brüssel legt im Hinblick auf Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien hingegen grossen Wert darauf, dass Janevas Sonderstaatsanwaltschaft möglichst bald zur dauerhaften Institution wird. Und jetzt, wo die neue nordmazedonische Regierung den Wunsch der EU erfüllen möchte, kommt plötzlich dieser neue Skandal. Ausgerechnet Janeva selbst steht als Verdächtige da.
Ein Oligarch soll zur Zahlung von 1.5 Millionen Euro gezwungen worden sein. Dies als Gegenleistung dafür, dass Janeva ihn vor einer Strafverfolgung verschont. Kassiert wurde das Geld von einem schillernden TV-Showmaster und einem Komplizen. Die Frage ist nun, ob Janeva tatsächlich davon wusste. Sie bestreitet dies und trat sofort zurück, als die Vorwürfe bekannt wurden.
Aber sie hat einen schweren Stand. Es wurden abgehörte Telefongespräche öffentlich, in denen Janevas Stimme zu hören ist. Interessant ist, dass die Aufnahmen in einer rechtsgerichteten Salvini-nahen Zeitung in Italien veröffentlicht wurden. Das weckt den Verdacht, dass hinter den Vorwürfen Kreise stehen, die Nordmazedoniens Weg in die EU sabotieren wollen.
Nach der Sommerpause sollen die EU-Staats- und Regierungschefs entscheiden, ob Nordmazedonien und Albanien mit Beitrittsgesprächen beginnen dürfen. Die Skeptiker in der EU, die keine Erweiterung wollen, werden für alle Argumente dankbar sein, die gegen Nordmazedonien sprechen. Und der alte Machthaber Gruevski hofft auf ein Comeback.