Republikanerinnen und Republikaner haben einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der die Social-Media-App Tiktok in den USA bald verbieten könnte. Die Diskussion darüber läuft schon länger. Die USA, Kanada und die EU haben die App unterdessen auf Diensthandys von Staatsangestellten verboten. SRF-Digitalredaktor Jürg Tschirren schätzt die Lage ein.
SRF News: Welche Befürchtungen stehen hinter dem Verbot?
Tiktok sammelt in grossem Stil Daten seiner Userinnen und User – zum Beispiel Standortdaten. In den USA nimmt sich Tiktok in seinen Nutzungsbedingungen sogar das Recht, biometrische Daten zu sammeln. Beispielsweise, wie ein Gesicht aussieht oder eine Stimme klingt.
Wörter wie Drogen, Sex, schwul oder auch Wörter über die uigurische Minderheit in China werden laut NDR-Recherche von Tiktok zensiert.
Die App wird ausserhalb von China zwar unabhängig vom Mutterkonzern Bytedance betrieben. Es ist aber nicht klar, ob nicht trotzdem Daten zum chinesischen Mutterhaus weitergereicht werden. Tiktok hat immer wieder versichert, das sei nicht der Fall.
Letztes Jahr wurde jedoch bekannt, dass sich Bytedance-Mitarbeitende trotzdem Zugriff auf solche US-Daten verschaffen konnten. Das ist problematisch, weil chinesische Unternehmen verpflichtet sind, dem Staat auf Verlangen solche Daten auszuhändigen.
Geht es denn auch um die Inhalte, die über die Plattform verbreitet werden?
Der Gesetzesentwurf will Tiktok auch verbieten, wenn nachgewiesen werden kann, dass die App bestimmte Inhalte zensiert. Recherchen des Fernsehsenders NDR haben kürzlich gezeigt, dass genau das passiert. Es gebe eine Liste von mindestens 20 Wörtern, die von der App blockiert werde.
Laut NDR kommen darin Wörter wie «Drogen», «Sex», «schwul» oder auch Wörter über die uigurische Minderheit in China vor. Kommentare, in denen diese Worte vorkamen, seien bei einem Test von der App nicht veröffentlicht worden. Und zwar so, dass die Nutzer das nicht mitbekommen hätten, also nicht darauf hingewiesen wurden.
Das Sammeln von privaten Daten oder umstrittene politische Einflussnahme – diese Vorwürfe macht man aber ja auch anderen Social-Media-Apps.
Viele solche Apps sammeln mehr Daten, als für den eigentlichen Betrieb nötig wäre. Das liegt am Geschäftsmodell solcher Apps, die sich durch Werbung finanzieren und persönliche Daten brauchen, um ihren Nutzerinnen und Nutzern personalisierte Werbung anzuzeigen. Allerdings ist auch bekannt geworden, dass zum Beispiel bei Facebook Daten an Dritte weitergegeben wurden.
Tiktok geht beim Datensammeln noch aggressiver vor als andere Apps.
Das war zum Beispiel das Datenanalyseunternehmen Cambridge-Analytica, das mit diesen Daten 2016 versucht habe, den US-Wahlkampf zu beeinflussen. Dieser Skandal führte dazu, dass die Angst vor gesammelten Daten lange auf Facebook konzentriert blieb, während Tiktok unbeachtet blieb – obschon Tiktok beim Datensammeln noch aggressiver vorgeht als andere solche Apps.
Die US-Politik, vor allem die republikanische Partei, macht nun bei Tiktok vorwärts. Wie zielführend wäre ein landesweites Verbot?
Ein Verbot auf Dienstgeräten von Beamten kann durchaus sinnvoll sein, gerade wenn es um hochrangige Personen geht, deren Standort nicht bekannt werden sollte – zum Beispiel Mitglieder einer Atombehörde. Ich denke aber nicht, dass China die einfache Bürgerin im Visier hat und mithilfe von Tiktok bespitzeln will.
Der jetzige Vorstoss von republikanischer Seite ist sicher auch politisch motiviert, um Stärke gegenüber dem grossen Konkurrenten China zu zeigen. Es mutet seltsam an, wenn der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern vorschreiben will, welche Apps sie brauchen dürfen und welche nicht.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.