Nächstes Jahr steht in Spanien ein Super-Wahljahr, mit Regional-, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen an. Die Wirtschaft, die gestiegenen Strompreise und die zunehmende Polarisierung der Politik werden das Super-Wahljahr prägen. Beobachterinnen und Beobachter erwarten einen stark polarisierten Wahlkampf.
Hintergrund ist eine Personalrochade bei den Konservativen: Noch im Frühjahr löste Alberto Núñez Feijóo den bis dahin amtierenden Parteichef Pablo Casado nach internen Streitigkeiten über die Ausrichtung der Partei ab. Mit Feijóo vollziehen die Konservativen nun einen Strategiewechsel: Anders als sein Amtsvorgänger schliesst Feijóo ein Bündnis mit der rechtsextremen Vox nicht aus. Noch lieber würde er Vox allerdings die Wählerinnen und Wähler abjagen und alleine regieren.
Ein Tanz auf der Rasierklinge
Dass die Konservativen am rechten Rand eine Chance wittern, kommt nicht von ungefähr: Vox verliert aktuell an Boden. Die grössten Themen der Rechtsnationalen wie Ausländerfeindlichkeit oder eine harte Linie gegenüber den katalanischen Separatisten ziehen momentan nicht. Die Spanierinnen und Spanier haben derzeit angesichts der weltwirtschaftlichen Gesamtlage schlicht andere Sorgen. Hier will Feijóo ansetzen und Wählerinnen und Wähler für die Konservativen gewinnen, indem er traditionelle gemässigte Werte beschwört.
Gleichzeitig will Feijóo es sich nicht ganz mit den Rechtsnationalen verscherzen, denn vielleicht braucht er Vox dereinst auch als Bündnispartner. Deshalb hat Feijóo Gespräche mit Vox-Chef Santiago Abascal angekündigt. So etwas wäre unter Feijóos Vorgänger, Pablo Casado, undenkbar gewesen.
Sozialisten umgarnen Koalitionspartnerin
Die Konservativen rutschen also nach rechts. Dem gegenüber rutschen die derzeit regierenden Sozialisten immer weiter nach links. Um sich vor dem Super-Wahljahr keine Blösse zu geben, kommen Pedro Sánchez und die Sozialisten ihrer linken Koalitionspartnerin Unidas Podemos derzeit auffallend oft entgegen.
Seit kurzem übernimmt die spanische Regierung etwa einen Teil der Kosten im öffentlichen Verkehr: Wer ein Monatsabonnement hat, fährt seither gratis Zug, voraussichtlich bis Ende Jahr. Eine teure Massnahme für den Staat.
Geld als entscheidender Faktor der Wahl
Sánchez sucht Mittel und Wege, um die Bevölkerung finanziell noch mehr zu entlasten. Denn die gestiegenen Stromkosten und auch die Inflation von rund zehn Prozent drücken den Spanierinnen und Spaniern aufs Portemonnaie. Ein gewichtiger Faktor, denn Wahlen werden in Spanien, wo die Löhne unter dem EU-Durchschnitt liegen, oft mit dem Portemonnaie entschieden.
Geld in die spanische Staatskasse soll eine Übergewinnsteuer spülen – eine befristete Steuer für jene Unternehmen mit Hauptsitz in Spanien, die mit den aktuellen Strompreisschwankungen viel Geld verdienen: Banken und Energieversorger mit einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro.
Für Sánchez wäre es wichtig, diese Übergewinnsteuer durchs Parlament zu bringen und den Frust der Spanier über die gestiegenen Stromkosten zu mildern. Ansonsten riskieren die Sozialisten gar eine Abwahl: In den Umfragen liegen die Konservativen seit Wochen vorne.