Gegen 200 Schweizer Soldatinnen und Soldaten helfen derzeit im Rahmen des Nato-geführten KFOR-Einsatzes, in Kosovo den Frieden zu sichern. Die Spannungen in der Region haben zuletzt wieder zugenommen: Serbien liess Truppen an den Grenzen zu Kosovo aufmarschieren. Demonstrierende haben in der Kleinstadt Zvečan KFOR-Truppen in Nord-Kosovo angegriffen und zum Teil schwer verletzt. Und Ende September verschanzte sich ein proserbisches Terrorkommando in einem Kloster im Dorf Banjska, es gab mehrere Tote.
Inlandredaktor Matthias Strasser hat die Schweizer Truppen in Kosovo besucht und auf ihrem Einsatz begleitet.
Wie wirken sich die aktuellen politischen Spannungen auf den Alltag der Schweizer Truppe aus?
Die Truppe erlebt normalerweise ruhige, routinierte Tage – aber die Anspannung steigt. Die Kommandantin der Swisscoy in Kosovo erklärt, man mache zwar täglich eine Lageeinschätzung, wisse aber am Morgen im Grunde nicht, was der Tag bringen werde. Vor allem die in der Region Mitrovica, an der Grenze zu Nord-Kosovo, stationierten Soldatinnen und Soldaten erleben die Spannungen in Nord-Kosovo auch im Einsatzalltag, auf den täglichen Patrouillen. Sie reden von einer Lageverschärfung und betonen, dass Fragen rund um die eigene Sicherheit wieder deutlich mehr Gewicht hätten als früher.
Wie hat der jüngste Vorfall in Banjska den Einsatz der KFOR verändert?
In Banjska war die KFOR nicht direkt involviert, als die Lage eskaliert ist. Dort haben vor allem kosovarische Sicherheitskräfte reagiert. Aber diese Eskalationen fliessen in die Lageeinschätzung ein. Die Schweizerinnen und Schweizer patrouillierten dann plötzlich nur noch mit Schutzweste und Gewehr statt mit Pistole. Und das macht natürlich auch den Auftrag dieser Einsatzkräfte, mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten, schwieriger. Man kann sich vorstellen, wenn ein Soldat in Kampfmontur mit einem Schulkind reden will, entstehen gewisse Hürden. Der Einsatz wurde also mindestens phasenweise gefährlicher und die Erfüllung der Aufgabe auch schwieriger.
Die Schweizer Soldatinnen und Soldaten sollen unter anderem Kontakte mit der Bevölkerung pflegen und Spannungen frühzeitig erkennen. Wenn es dennoch solche Angriffe gibt, was bringt da die Swisscoy-Präsenz überhaupt?
Das ist die grosse Streitfrage. Die Befürworter sagen, diese Präsenz sei nötig, weil sie Teil der internationalen, westlichen Sicherheitsarchitektur auf dem Balkan sei. Angesichts der Aufgaben, die die Schweiz vor Ort übernimmt, würde ich sagen, es ist ein recht kleiner Baustein, aber einer, der im gesamten Konstrukt eben auch nicht vernachlässigbar ist. Die Kritikerinnen sagen: Nein, Kosovo müsse auch sicherheitspolitisch selbstständig werden. Es brauche den Abzug. Klar ist: Verhindern kann die Swisscoy die Spannungen in der Region nicht, aber sie ist Teil einer Art Sicherheitsanker für den Staat Kosovo.
Die Swisscoy ist bereits seit 1999 in Kosovo im Einsatz. Wie geht es weiter?
Lange sah es auch danach aus, dass die Zahl der Schweizer Soldatinnen und Soldaten schrittweise reduziert wird. Das ist heute nicht mehr so. Der Frieden in Kosovo braucht wieder mehr internationale Unterstützung. Die KFOR insgesamt und auch die Swisscoy, das Schweizer Kontingent, haben deshalb wieder mehr Leute vor Ort, bewilligt vom Parlament. Und die jüngste Entwicklung scheint das zu rechtfertigen. Ein Abzug ist in den kommenden Jahren eher unwahrscheinlich, solange die Mehrheiten für eine Verlängerung des Einsatzes im Parlament Bestand haben.