Im ersten Halbjahr seiner Präsidentschaft hat Milei das Frauen-Ministerium schrittweise abgeschafft. Es ist das erste Mal seit der Wiederherstellung der Demokratie im Jahr 1983, dass es in Argentinien keine spezifische Geschlechter-Institution für Frauen mehr gibt.
Frauen werden zum Feindbild
40 Jahre Arbeit auf diesem Gebiet wurden in den Boden gestampft, sagt die Frauenrechtlerin und Parlamentarierin Mónica Macha: «Milei zerstört alle Massnahmen, die das Frauen-Ministerium ausgearbeitet hat.»
Der Präsident mache Frauen zum Feindbild, sagt Macha. Dies in einem Land, wo Femizide im letzten Jahr um elf Prozent zunahmen. «Unsere Rechte als Frauen werden nicht als ‹in Stein gemeisselt› gesehen, wir mussten sie uns hart erkämpfen. Unsere Rechte sind ständig unter Druck und wir müssen sie verteidigen.»
Als Argentinien 2020 Abtreibungen legalisierte, sorgte das im noch immer stark christlich geprägten Südamerika für grosses Aufsehen. Nun fürchten die Argentinierinnen, Milei könnte als Nächstes das Abtreibungsrecht ins Visier nehmen.
Auch Gelder für LGBTQI-Gemeinschaft werden eingefroren
Die trans Frau Yanina Chávez arbeitet für die argentinische Eisenbahn: «Ich bekam diesen Job 2020, weil die Regierung per Dekret eine Quote für LGBTQI-Menschen beschlossen hatte. Seither ist ein Prozent der Belegschaft in staatlichen Unternehmen für LGBTQI-Personen reserviert. Ich war eine der ersten trans Frauen bei der argentinischen Eisenbahn.»
Davor habe sie sich prostituieren müssen, sagt Yanina. Sie sei dankbar, dass die staatliche Unterstützung ihr zu einer würdigen Anstellung verholfen habe. Doch seit Milei Präsident sei, habe die verbale Gewalt von Passagieren ihr gegenüber zugenommen: «Ich werde täglich diskriminiert, angefeindet und beschimpft, wenn ich hier am Bahnhof als Sicherheitsbeamtin arbeite.»
Milei habe Unsagbares wieder salonfähig gemacht, sagt Yanina. «Ich lebe in ständiger Angst. Ich gehe nur noch raus, wenn es hell ist, und lasse mich von Arbeitskollegen nachhause begleiten. Ich bin Sicherheitsbeauftragte und fühle mich selber nicht mehr sicher – es ist absurd!»
Frauenhäuser klagen über zu wenig finanzielle Mittel
Projekte zur Prävention von geschlechterspezifischer Gewalt, zum Schutz oder zur Unterstützung von Opfern und ihren Familien fallen ebenfalls zu grossen Teilen weg. Und das in einem Land, wo sogar der linke Ex-Präsident Alberto Fernández kürzlich angeklagt wurde, wegen häuslicher Gewalt gegenüber seiner Ex-Frau.
Betroffene bekommen Hilfe in Frauenhäusern, so wie Eliana: Sie wurde von ihrem Ex-Mann geschlagen und emotional missbraucht. «Dieses Frauenhaus hat mich gerettet. Ich hätte nie gedacht, dass ich in diese Situation komme, aber ich brauchte diese Hilfe. An wen sollen sich andere Frauen wenden, wenn es diesen Ort nicht mehr gibt?»
Im Frauenhaus erhielt Eliana psychologische und rechtliche Beratung und staatliche Gelder, für sich und ihre zwei Töchter: «Diese Unterstützung half mir, mich selber wieder wertvoll zu fühlen.» Auch diese Gelder will Milei einsparen. Es mache ihr Angst, sagt Eliana, dass ihre Töchter in einem Land aufwachsen, wo diese Hilfe künftig wegfallen könnte.
Mileis radikaler Sparkurs wird Argentinien langfristig verändern. Die Folgen für Frauen und LGBTQI-Personen sind schon heute weitreichend.