Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz betonte gleich zu Beginn seiner Rede an der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), worüber er sprechen werde: über den Ukraine-Krieg – nicht aber über den Gaza-Krieg und all die anderen Krisen, welche die Weltdiplomatie derzeit in Atem halten. Scholz rief seine Partnerstaaten in der Nato und in der EU auf, die Ukraine weiter mit Waffen und Munition zur versorgen. Damit sie sich weiter gegen Russlands völkerrechtswidrigen Krieg zur Wehr setzen könne.
Auch der chinesische Aussenminister Wang Yi legte den Fokus in seiner Rede auf einen Krieg: jenen in Gaza. Die Lage der Palästinenserinnen und Palästinenser sei die «am längsten andauernde Ungerechtigkeit der Welt». Wang forderte eine Waffenruhe, mehr humanitäre Hilfe und eine Zweistaatenlösung im Einklang mit dem Völkerrecht. Die «Ukraine-Krise» erwähnte Wang nur kurz, konkrete Forderungen stellte er nicht.
Die Diplomatie passt ins jeweilige Weltbild
Die Münchner Reden von Wang und Scholz illustrieren die Art der öffentlichen Diplomatie, die derzeit besonders augenfällig betrieben wird. Die Spitzenpolitiker aus Ost und West reden am liebsten über die Kriege, für die sie ihre jeweiligen Positionen einfach umreissen und ins Weltbild einfügen können.
Nun gilt die MSC auch deshalb als wichtigste und attraktivste Sicherheitskonferenz der Welt, weil sich jede Rednerin und jeder Redner kritischen Fragen stellen muss. Diese zielten 2024 oft auf Widersprüche und den Vorwurf der Doppelmoral.
Deutsche und amerikanische Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer wurden immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, die Völkerrechtsverletzungen Russlands zwar mit Sanktionen zu bestrafen, jene Israels aber nicht.
Der deutsche Kanzler Scholz selbst wurde nach seiner Rede auf dem Podium von der amerikanischen Journalistin Hadley Gamble in die Mangel genommen. Auf die Frage, ob sich die israelischen Streitkräfte im Gaza-Krieg ans Völkerrecht hielten, sagte Scholz bloss: «Wir bitten sie, dies zu tun.»
Kaum Lösungsansätze oder neue Argumente
Auch Chinas Aussenminister Wang musste sich kritischen Fragen stellen. Schliesslich beklagt die chinesische Regierung gern das Leid der Palästinenserinnen und Palästinenser, zugleich aber soll sie für schwere Menschenrechtsverletzungen an der muslimisch-uigurischen Bevölkerung in der Region Xinjiang verantwortlich sein. Von MSC-Chef Christoph Heusgen darauf angesprochen, geisselte Wang bloss die «Lügen», die über China verbreitet würden, um dem Land zu schaden.
Die MSC wurde ihrem Ruf als Ort kritischer Fragen und offener Debatten gerecht. Neue Argumente oder gar Lösungsansätze für die Kriege und Krisen der Gegenwart gab es – anders als in früheren Jahren – gleichwohl kaum zu hören. Die Positionen sind bezogen, die Meinungen gemacht in der Weltpolitik 2024.