Er hat den Srilankern Wandel versprochen – jetzt ist der neue Präsident Anura Kumara Dissanayake frisch vereidigt und muss beweisen, dass er diesen Wandel auch liefern kann.
Verdient hätte ihn die srilankische Bevölkerung ganz sicher. Das Land ist geprägt von jahrzehntelangem Missmanagement, das unter dem als hochkorrupt geltenden Rajapaksa-Clan neue Höhen erreichte.
Lasten sollen gleichmässiger verteilt werden
Vor zwei Jahren mussten Präsident Gotabaya Rajapaksa und sein Bruder, Premierminister Mahinda Rajapaksa, – nach monatelangen Protesten – zurücktreten. Sie hinterliessen ein kaputtes, hoch verschuldetes Land. Auf sie folgte Ranil Wickremesinghe. Auch er ein Vertreter der alten Eliten. Und auch er sah keine andere Möglichkeit, als den Staatsbankrott zu erklären.
Zwei Jahre und einen IWF-Kredit später ist Sri Lanka zwar wirtschaftlich stabilisiert. Aber vor allem die ärmeren Schichten zahlen einen hohen Preis dafür: Nicht nur die Steuern, auch die Preise für Lebensmittel, Wasser und Strom sind horrend gestiegen, sodass viele Menschen kaum noch über die Runden kommen. Viele von ihnen haben daher am Wochenende für den Wandel an der Staatsspitze gestimmt. Sie erwarten, dass die Lasten gleichmässiger verteilt werden – auch auf diejenigen, die den Schaden angerichtet und viel Geld in die eigene Tasche gesteckt haben.
Zum ersten Mal ein linker Präsident
Mit dem neuen Präsidenten Dissanayake steht zum ersten Mal ein Linker an der Spitze des Landes. Dass er nicht mit den alten Eliten verbandelt ist, macht ihn glaubwürdig. Die Frage ist, ob der 55-jährige Marxist – mit sehr kurzer Regierungserfahrung – das Land aus der Wirtschaftskrise führen kann. Im Wahlkampf hatte Dissanayake niedrigere Steuern und Preise versprochen. Das würde aber die Staatseinnahmen schmälern – und dürfte dem Internationalen Währungsfonds kaum gefallen.
Den IWF-Kredit ganz zu kippen, kann sich der neue Präsident nicht leisten – denn dann könnten sich auch andere Kreditgeber zurückziehen. Und das Land könnte schnell wieder im wirtschaftlichen Chaos versinken – was niemandem helfen würde. Eine schwierige Gratwanderung.
Wunden aus Bürgerkrieg sind noch offen
Wandel braucht es auch in anderen Gebieten. Das Land ist zerstritten zwischen der singhalesischen Mehrheit im Süden und der tamilischen Minderheit im Norden und Osten. Im Bürgerkrieg hatten beiden Seiten gegeneinander gekämpft. Die Wunden sind noch nicht verheilt, die zahlreichen Menschenrechtsverbrechen noch nicht aufgearbeitet.
Der neue Präsident hat versprochen, mit allen Seiten zusammenzuarbeiten. Doch ob es ihm gelingt, die Erwartungen seiner Wählerinnen und Wähler zu erfüllen, muss er im Praxistest erst noch beweisen. Die Hürden sind hoch.