Für Grace Malie aus Tuvalu ist die Entscheidung simpel und schwierig zugleich: Entweder bleibt sie in ihrem Inselstaat, obschon der wegen stark steigender Meeresspiegel womöglich bald nicht mehr existiert? Oder sie wandert aus, setzt auf ein neues Leben, etwa im fernen Australien und gibt somit ihre Heimat, ihre Kultur auf?
Noch hofft sie, zumindest ein bisschen, dass die Welt die Dringlichkeit erkennt, mit der das Ansteigen der Meeresspiegel gestoppt werden müsse: «Zeit bleibt meinen Landsleuten in Tuvalu keine mehr.»
Tatsächlich verläuft die bedrohliche Entwicklung erschreckend schnell, erläutert UNO-Generalsekretär António Guterres: «Die Meere sind in den vergangenen hundert Jahren schneller angestiegen als in den 3000 Jahren davor.» Und ganz besonders in den letzten zehn Jahren.
«Die Welt befindet sich in gefährlichen Gewässern»
Wegen des Klimawandels schmelzen die gigantischen Gletscherkappen der Antarktis und Grönlands ab. Dazu kommen wegen der Erderwärmung mehr Stürme, mehr Hochwasser. «Die Welt», so Guterres sinnbildlich, «befindet sich in gefährlichen Gewässern.»
Für flache Inselstaaten gehe es schlicht um die Existenz, sagt Feleti Teo, Premierminister von Tuvalu: «Weder sind wir schuld an dem Problem, noch können wir es selber lösen.» Dass die steigenden Meeresspiegel erstmals auf einem UNO-Spitzentreffen behandelt werden, wird bereits als Erfolg deklariert. Doch es ist bestenfalls ein erster Schritt.
Kriege überlagern Klimaproblem
Lösungen gäbe es zwar: Zum einen zig Milliarden in den Hochwasserschutz zu investieren, was letztlich nicht nachhaltig ist. Zum andern die Ursache, den Klimawandel, entschieden zu bekämpfen. Bloss sind dabei praktisch alle Länder nicht auf Kurs.
Gerade bei der UNO in New York ist sichtbar, wie sehr die Klimaproblematik angesichts blutiger kriegerischer Konflikte und geopolitischer Spannungen in den Hintergrund gedrängt wurde.
Ein Beispiel illustriert das: Noch vor wenigen Jahren nahmen auch Staats- und Regierungschefs einflussreicher Staaten an Klima-Spitzentreffen teil. Klima war das Thema. Diesmal entsandten lediglich die USA immerhin ihren Aussenminister, Antony Blinken. Er betonte: «Noch lässt sich das Problem lösen. Doch es eilt.» Dennoch handelt kaum eine Regierung wirksam und vor allem rasch genug.
Die Welt macht zu wenig
Für Louis Charbonneau, UNO-Experte bei der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, ist das tragisch und verständlich zugleich. Das multilaterale System sei überfordert: «Es gibt nun mal all die neuen Grosskonflikte, von der Ukraine über den Sudan bis Gaza und Libanon. Sie absorbieren enorm viel politische Aufmerksamkeit und Kraft. Gleichzeitig verschwindet das Klimaproblem nicht.»
Mit dem Ergebnis: Ob beim Klima oder angesichts der grausamen Konflikte – überall tut die Welt zu wenig.