Wenn der Meeresspiegel bis ins Jahr 2100 weiter steigt und zwar um ganze 1.5 Meter, wie entwickelt sich dann die Wirtschaftsleistung in Europa? Dieser Frage ging ein Team der Technischen Universität Delft erstmals in Detail nach.
In den Niederlanden zum Beispiel liegt schon heute ein Viertel der Landesfläche unter dem Meeresspiegel. Weil das Land dank ausgeklügelten Deichanlagen jedoch vor dem Meer gut geschützt ist, werden die Schäden durch den Anstieg des Meeresspiegels deutlich tiefer sein als etwa im benachbarten Belgien.
Stark gefährdet: Italiens Küsten im Nordosten
Italien dagegen dürfte noch stärker betroffen sein als Belgien, sagt Theodoros Chatzivasileiadis von der TU Delft: «Die Region Veneto im Nordosten des Landes wird 20 Prozent seiner Wirtschaftsleistung einbüssen. In der benachbarten Emiglia-Romagna sind es zehn Prozent.»
Süditalien mit den steileren Küsten wäre dagegen gemäss Studie kaum betroffen. Dennoch hätte Italien insgesamt mit einem Verlust der Wirtschaftsleistung von zwei bis fünf Prozent in Europa am meisten zu leiden – zusammen mit Lettland, Dänemark, Irland und Portugal.
Gebiete hingegen, die weiter weg vom Meer liegen, dürften leicht profitieren. Denn ein Teil der wirtschaftlichen Aktivitäten würde sich von der Küste weg verlagern. So würde sich zum Beispiel das Bruttoinlandprodukt von Österreich um ein bis zwei Prozent erhöhen. Die Schweiz, die nicht Teil der Studie war, dürfte ebenfalls von dieser Verlagerung profitieren.
Keine Prognose – Anpassungen nicht berücksichtigt
Die Studie nimmt ein Extremszenario des Weltklimaberichts als Grundlage. Es ist derzeit nicht anzunehmen, dass der Meeresspiegel bis in knapp 80 Jahren so schnell steigt. Zudem haben die Forschenden keinerlei Anpassungen an den steigenden Meeresspiegel mit einberechnet. Die Zahlen dürfen deshalb nicht als exakte Prognosen verstanden werden.
Die Forschenden haben jedoch zahlreiche direkte und indirekte Schäden in verschiedenen Wirtschaftssektoren berücksichtigt, so dass die unterschiedliche Betroffenheit der Regionen recht gut abgebildet wird.
Und wenn das Wasser doch schneller steigt?
Doch es könnte auch schneller gehen, sagt Professorin Tatiana Filatova von der technischen Universität Delft. Denn mögliche Kipppunkte wie das schnelle Abschmelzen des Westantarktischen Eisschilds seien in der Studie nicht berücksichtigt.
Die Studie könne nützlich werden bei der Abschätzung, wo man sich wie stark auf den Meeresanstieg vorbereiten sollte. Oder wo es gar sinnvoll sei, sich teilweise oder ganz von Küsten zurückzuziehen, so Filatova.