Der Meeresspiegel wird um rund 27 Zentimeter steigen, auch wenn sich die Erde in Zukunft nicht weiter erwärmt. Zu diesem Schluss kommen Forschende in einer neuen Studie. Eingerechnet wird dabei das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds, nicht aber die Klimaerwärmung. Reto Knutti ist Klimaforscher an der ETH Zürich. Er ordnet die Erkenntnis der Studie ein.
SRF News: Wie bedrohlich ist ein Anstieg des Meeresspiegels um 27 Zentimeter?
Reto Knutti: 27 Zentimeter sind tatsächlich nicht so viel. Das ist eine gute Stiefelhöhe. Mit dem könnten wir noch umgehen. Die Frage ist, ob das alles ist.
Eine realistische Schätzung bis Ende des Jahrhunderts geht von einer Erhöhung des Meeresspiegels um einen halben Meter bis einen Meter aus, je nachdem, ob man Klimaschutz betreibt oder nicht.
Gemäss dieser Studie ist das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds unvermeidlich:
Wie hoch wird der Meeresspiegel denn ansteigen, wenn man nicht nur das Abschmelzen des grönländischen Eisschildes einrechnet, sondern den Effekt der ganzen Klimaerwärmung?
Eine realistische Schätzung bis Ende des Jahrhunderts geht von einer Erhöhung des Meeresspiegels um einen halben Meter bis einen Meter aus, je nachdem, ob man Klimaschutz betreibt oder nicht. Diese Zahlen sind wesentlich bedrohlicher.
Welche andere Faktoren neben dem Abschmelzen des grönländischen Eisschildes sind zentral für den Anstieg des Meeresspiegels?
Der Meeresspiegel steigt aus drei Gründen: Erstens dehnt sich das Wasser aus, wenn es sich erwärmt, anderseits schmelzen die kleineren Gletscher wie in den Alpen oder im Himalaya. Und drittens sind es die grossen Eismassen Grönland und Antarktis, diese Eisschilde, die sehr viel Wasser gespeichert haben und sehr langsam schmelzen. Dort ist extrem viel Eis vorhanden.
Was bedeutet das für Küstengebiete wie zum Beispiel Holland oder Bangladesch?
Es leben mehrere 100 Millionen Menschen sehr nahe am Meer. Es gibt viele grossen Städte in Küstennähe sind, sei es New Orleans oder New York in den USA, auch in Asien gibt es sehr grosse Städte an der Küste.
Man kann die Infrastrukturen an den Küsten punktuell mit Dämmen und Verbauungen schützen.
Da ist sehr viel Infrastruktur sehr knapp am Meer und diese kann man langfristig kaum mehr schützen. Beziehungsweise: man kann sie punktuell mit Dämmen und Verbauungen schützen. Aber an anderen Orten wird das sehr schwierig sein. Da werden die Auswirkungen sehr dramatisch sein.
Und welche sonstigen Lösungen gibt es ausser dem Schutz der Infrastruktur?
Langfristig gibt es neben dem punktuellen Schutz der Küsten nur den Versuch, den Klimawandel so schnell wie möglich einzudämmen und die Klimaziele von Paris zu erfüllen, die wir auch ratifiziert haben.
Langfristig gibt nur den Versuch, den Klimawandel so schnell wie möglich einzudämmen und die Klimaziele von Paris zu erfüllen.
Der Unterschied der Konsequenzen eines Anstiegs zwischen einem halben Meter und einem Meter ist gross. Langfristig sind es Unterschiede von mehreren Metern. Es lohnt sich langfristig, das Klimaproblem zu lösen, anstatt abzuwarten, bis diese ganzen Teile der Welt unter Wasser sind.
Das Gespräch führte Zoé Geissler.