Steuerdebatte in London - Yes, please! Britische Millionäre wollen mehr Steuern bezahlen
Vermögen, Erbschaften und Kapitalgewinne höher besteuern. Das prüft die Labour-Regierung. Eine Gruppe von Superreichen sagt: «Nur zu!» Viele andere drohen damit, das Land zu verlassen.
Er redet wie ein radikaler Antikapitalist. Doch Phil White ist ein britischer Multimillionär, der als Unternehmensberater reich geworden ist. «Wir müssen die Vermögenden viel stärker besteuern. Das Steuersystem muss gerechter werden», sagt der pensionierte Unternehmer, der beim Verkauf seiner Firmenanteile Millionen kassiert hat. Und Phil White ist gerne bereit, mehr Steuern zu bezahlen.
«Ich möchte in einer Gesellschaft leben – mit weniger Armut: In unserem Land lebt gegenwärtig ein Drittel der Kinder in Armut. Das darf nicht sein: Alle sollen in Würde leben können.»
Patriotische Millionäre: Steuern als solidarischer Akt
Phil White ist einer von über 50 britischen Millionärinnen und Millionären, die sich in der Vereinigung Patriotic Millionaires UK für eine grosse Reform des Steuersystems einsetzen. Reiche und Superreiche sollen ihre Steuervorteile verlieren. White legt offen: «Ich bezahle praktisch keine Steuern, als Pensionierter – weil ich kein Einkommen zu versteuern habe. Und mein Vermögen wird nur schwach besteuert – ebenso Dividenden und Kapital-Gewinne. Als vermögende Person bezahle ich heute viel weniger, als ich früher als Lohnbezüger bezahlen musste.»
Wer sind die Patriotischen Millionäre UK? Und was fordern sie?
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Die Patriotischen Millionäre UK sind eine überparteiliche Vereinigung, die sich für ein faireres Steuersystem einsetzen. «Wir wollen Grossbritannien besser machen – indem wir extremen Reichtum abbauen und jene, die extrem viel besitzen, dazu bringen, einen fairen Beitrag an die Gesellschaft zu leisten.» So schreiben es die Patriotischen Millionäre UK auf ihrer
Webseite
.
Sie fordern:
Vermögen über 10 Millionen Pfund jährlich mit 1-2 Prozent zu besteuern;
die Kapitalgewinne aus Verkäufen von Aktien und Immobilien wie ordentliche Einkommen zu besteuern;
Sozialabgaben auf Kapitalzinsen und Dividenden zu erheben;
Steuerschlupflöcher in der Erbschaftssteuer zu schliessen und
nicht länger zu akzeptieren, dass reiche Doppelbürger ihre im Ausland erzielten Einkommen in Grossbritannien nicht versteuern müssen.
Die Patriotischen Millionäre sind auch in anderen Ländern aktiv. Gegründet worden ist die Vereinigung 2010 ursprünglich in den USA. Mit «Tax the Rich»-Transparenten sind die Millionärinnen und Millionäre in den vergangenen Jahren mehrmals auch am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos aufgetreten. Neben dem Briten, Phil White, unter anderem auch die BASF-Erbin Marlene Engelhorn.
Die 31-jährige Österreicherin hat im vergangenen Jahr 50 Personen zufällig ausgewählt und ihnen den Entscheid überlassen, wie 25 Millionen Euro aus dem Erbe ihrer Grossmutter verwendet werden sollen, weil die österreichischen Steuerbehörden die 2008 abgeschaffte Erbschaftssteuer nicht wieder einführen wollen.
Wenn auf Kapitalgewinnen, grossen Vermögen und Erbschaften weniger Abzüge möglich wären, flössen jährlich rund 50 Milliarden Pfund zusätzlich in die Staatskasse – rechnen die Patriotischen Millionäre vor.
Das «schwarze Loch» in der britischen Staatskasse
Labour-Finanzministerin Rachel Reeves kommen diese Vorschläge gerade recht. Sie ist nach dem Wahlsieg der Sozialdemokraten von Anfang Juli für die Staatsfinanzen verantwortlich. Am 30. Oktober muss sie ihr erstes Jahresbudget und einen mehrjährigen Finanzplan vorlegen. «Wir haben ein schwarzes Loch von rund 20 Milliarden Pfund entdeckt, das die Konservativen mit ungedeckten Ausgaben verursacht haben», warnte Reeves schon nach wenigen Wochen im Amt.
Das bedeutet: Wenn sie – wie im Wahlkampf versprochen – mehr Geld fürs Gesundheitswesen, für Schulen, Polizei, nachhaltige Energieprojekte und grüne Zukunftstechnologien bereitstellen will, fehlen ihr über 40 Milliarden Pfund. Diese will sie über Einsparungen und höhere Steuern eintreiben.
Doch: Im Wahlkampf hat Labour auch versprochen, die Steuern von «arbeitenden Menschen» nicht zu erhöhen, darunter die Einkommenssteuern, Abgaben für die Sozialwerke sowie die Mehrwertsteuer.
Es zeichnet sich ab, dass die Labour-Finanzministerin die Reichen stärker zur Kasse bitten wird: Sie will Kapitalgewinne und Vermögen zusätzlich besteuern, bei Erbschaften weniger Ausnahmen gewähren und die Sozialabgaben für grosse Arbeitgeber erhöhen.
Kommt es zum Exodus der Superreichen?
In der Londoner City warnen Steuerberater die Regierung, Tausende Millionäre und Milliardäre würden das Land verlassen oder seien bereits am Umziehen.
So viele Superreiche drohen Grossbritannien zu verlassen
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Gegen 10’000 reiche Britinnen und Briten würden das Land noch vor dem kommenden Frühjahr verlassen, sollten die Steuersätze auf Vermögen, Kapitalgewinnen oder Erbschaften stark angehoben werden. Das schätzt die Londoner Steuerberatungsfirma Henley & Partners.
Weltweit seien mit 128’000 Millionärinnen und Millionäre so viele aus Steuergründen am Umziehen wie noch nie, so Henley & Partners. Beliebteste Steueroasen sind, gemäss einer Studie des Beratungsbüros, die Vereinigten Arabischen Emirate mit schätzungsweise 6‘700 Zuzügen im laufenden Jahr. 3‘800 Steuerflüchtlinge würden in die USA ziehen, 3‘500 nach Singapur. Die Schweiz ist gemäss Henley & Partners mit schätzungsweise 1‘500 einwandernden Steuer-Millionären auf Platz 7 der beliebtesten Länder für Steuerflüchtlinge.
«Das klingt nach einer exakten Wissenschaft, ist es aber nicht», mahnt Finanzwissenschaftler Andy Summers von der London School of Economics and Political Science (LSE) zur Vorsicht. «Unsere Forschungen zeigen, dass nur ein kleiner Teil der vermögenden Menschen, die eine Steuerflucht prüfen, schliesslich auch tatsächlich auswandern.» Denn die rechtliche und politische Stabilität, die kulturell sowie privat vertraute Umgebung, die guten Schulen oder das familiäre Umfeld würden oft den Ausschlag geben, im Land zu bleiben. Und: «Wer so viel Vermögen hat, hat seine Steuern meist seit längerem optimiert – mit Grundeigentum, Trusts oder Stiftungen. Da fallen die Änderungen gewisser Steuersätze nicht so stark ins Gewicht, dass eine Auswanderung die einfachste und schnellste Lösung wäre.»
Phil White findet dies eine plumpe Drohung: «Steuern sind nur ein Faktor von vielen, warum eine reiche Person hier lebt. Wichtiger sind persönliche Beziehungen, Kultur und Sicherheit.»
Auch Steuer-Forscher Andy Summers von der London School of Economics (LSE) rechnet nicht mit einem Exodus der Superreichen. Das sei bei früheren Steuererhöhungen auch nicht passiert: «2017 mussten reiche Doppelbürger plötzlich bis zu 150 Prozent mehr Steuern bezahlen. Nur wenige wanderten aus.»
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