Zum Inhalt springen

Streit mit England Die Sabotage eines schottischen Kronjuwels

Ein hochprozentiger Streit droht den Graben zwischen Schottland und England erneut zu vertiefen. Nämlich die Frage, was ein schottischer Single Malt Whisky ist.

Gerste, Wasser und Hefe. Das sind die Zutaten eines guten Whiskys. Darüber sind sich Engländer und Schotten einig. Weniger dagegen, wie und wo dieses ikonische Getränk zubereitet wird.

Für einen schottischen «Single Malt Whisky» gelten ähnliche Regeln wie für ein Shakespeare-Drama. Nämlich Einheit von Raum, Zeit und Handlung. Das heisst, es wird am selben Ort gemälzt, vergoren und destilliert. Und zwar in Schottland. Das sieht man in London ein bisschen weniger eng. Auch Whisky aus England, der in Manchester fermentiert und allenfalls in Brighton abgefüllt wurde, soll künftig die Bezeichnung «Single Malt» tragen dürfen.

Person schenkt Getränk in Glas ein bei Gegenlicht.
Legende: Für die Herstellung eines «Single Malt Whisky» gelten strenge Regeln (hier an einer Brennereimesse in Edinburgh). REUTERS/Jeff J Mitchell

So steht es, zum grossen Ärger der schottischen Whisky-Brenner, in einem Gesetzesentwurf der britischen Regierung. Damit werde ein Kronjuwel der schottischen Exportindustrie sabotiert, ist aus Edinburgh zu hören.

«Single Malt Whisky» als hochprozentige Medizin

Ein schottischer «Single Malt Whisky» sei nicht irgendein Gebräu, sondern werde als Aqua vitae nachweislich seit 1494 in Schottland gebrannt. Bereits König James I. habe auf das schottische Lebenswasser geschworen, das ursprünglich aus Irland kam.

Eine hochprozentige Medizin, die in den dunkelsten Stunden Europas auch den britischen Premierminister bei Laune gehalten haben soll. Winston Churchill habe sich morgens um sieben Uhr stets einen Whisky-Soda servieren lassen, wird berichtet. Der Whisky sei selbstverständlich nicht als Genussmittel konsumiert worden, sondern als Mundwasser zur Zahnpflege, schreibt sein einstiger Privatsekretär in seinen Memoiren.  

Über die Zahnpflege von Keir Starmer ist wenig bekannt. Doch der Premierminister wirkt nicht unbedingt so, als würde er seinen Tag mit einem Whisky beginnen.

Langes Reifen im Holzfass

Es ist nicht das erste Mal, dass die Engländerinnen und Engländer den schottischen Whisky-Brennern Ärger bereiten. Die Spirituose aufs europäische Festland zu exportieren, kostet wegen des Brexits mittlerweile zwei- bis dreimal mehr.

Als wäre das Scheidungsdrama nicht genug gewesen, liess die Corona-Pandemie die Nachfrage in der Gastronomie einbrechen. Und bereits bevor das Wort «Lockdown» Eingang in den Duden fand, wurde die Branche von einer transatlantischen Hiobsbotschaft heimgesucht: US-Präsident Donald Trump verhängte im Oktober 2019 einen Zoll von 25 Prozent auf schottischen «Single Malt Whisky».

Sein Nachfolger Joe Biden hat sich erbarmt und die Zölle wieder abgeschafft. Wann es Trump gefällt, diese wieder einzuführen, ist gerade in der Schwebe. Im Gegensatz zur Entscheidungsfindung im Weissen Haus gehört Warten bei den Whisky-Brennern auf eine tröstliche Weise zum Handwerk.

Jeder schottische Whisky muss zuerst in einem Holzfass reifen. Mindestens drei Jahre lang.

Echo der Zeit, 10.3.2025, 18 Uhr

Meistgelesene Artikel