Wieder wird ein Rettungsschiff mit Flüchtlingen und Migranten im Mittelmeer zur Belastungsprobe für die EU-Staaten. Die italienische Regierung schob Grossbritannien die Verantwortung für 141 Gerettete zu.
Das Rettungsschiff «Aquarius» diverser Hilfsorganisationen hatte zuvor die Menschen von zwei Flüchtlingsbooten aufgenommen. Neben Italien hatte auch Malta den Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée keine Genehmigung für das Anlaufen eines Hafens erteilt.
Brüssel vermittelt
Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte in Brüssel, die Behörde sei mit mehreren EU-Staaten im Gespräch, die wegen der «Aquarius» Kontakt gesucht hätten. Man stehe bereit, diplomatische Unterstützung zu bieten, damit schnell eine Lösung gefunden werde.
Italiens Transportminister Danilo Toninelli hatte Grossbritannien zuvor im Kurznachrichtendienst Twitter aufgefordert, «seine Verantwortung für den Schutz der Schiffbrüchigen» zu übernehmen, schliesslich fahre das Schiff unter der Flagge Gibraltars.
Das britische Überseegebiet Gibraltar liegt an der spanischen Südküste. Vom britischen Aussenministerium gab es auf eine Anfrage hin zunächst keine Reaktion.
Spanien stellt sich ebenfalls quer
Anders als bei der Aufnahme von 629 Menschen der «Aquarius» am 17. Juni ist Spanien diesmal nicht bereit, dem Rettungsschiff einen Hafen zum Einlaufen anzubieten. Sprecher der Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez sagten am Montag: «Spanien ist zur Zeit gemäss Völkerrecht nicht der sicherste Hafen, weil es nicht der nächstgelegene Hafen ist.» Die jetzige Lage könne mit der von Mitte Juni «nicht verglichen werden». Damals, so heisst es im Madrider Moncloa-Palast, habe es eine «humanitäre Notlage» vorgelegen, die Lage sei «sehr komplex» gewesen.
Spanien ist zur Zeit gemäss Völkerrecht nicht der sicherste Hafen, weil es nicht der nächstgelegene Hafen ist.
Madrid wollte derweil nicht sagen, wie man vorgehen würde, falls sich die Lage in den nächsten Tagen verschlimmern sollte. Schon im Juni hatten einige Minister aber erklärt, die Aufnahme der von Italien und Malta zurückgewiesenen Rettungsschiffe durch Spanien könne nicht zur Regel werden.
Das Schiff war am 1. August zurück in die Such- und Rettungszone vor der libyschen Küste gefahren. Die neue populistische Regierung in Italien, die harte Hand in der Flüchtlings- und Migrationsfrage zeigt, verwehrte der «Aquarius» mit mehr als 629 Menschen an Bord die Einfahrt in einen Hafen.
Verstoss gegen Seerecht
Auch andere Schiffe, die Menschen aus Seenot gerettet hatten, konnten über Tage hinweg nicht anlegen, weil ihnen nicht sofort ein Hafen zugewiesen wurde. Gemäss dem internationalen Seerecht müssen Schiffbrüchige gerettet und in den nächsten sicheren Hafen gebracht werden.
Im Juli hatte Italien zwei Schiffe erst dann anlegen lassen, nachdem unter anderem Deutschland und Frankreich zugesagt hatten, einige Flüchtlinge und Migranten direkt zu übernehmen. «Das Grundprinzip, Menschen in Seenot zu retten, ist bedroht», warnte Aloys Vimard, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen. Und weiter: «Schiffe sind nämlich unter Umständen nicht mehr bereit, auf die Hilferufe zu reagieren, weil das Risiko zu hoch ist, dass ihnen ein nächstgelegener, sicherer Hafen verwehrt wird und sie alleingelassen werden.»
Bootsflüchtlinge an Bord hätten der Besatzung berichtet, dass sie vor ihrer Rettung durch die «Aquarius» fünf verschiedene Schiffe in der Nähe gesehen hätten, die aber keine Hilfe geleistet hätten.
Aquarius harrt auf hoher See aus
Die «Aquarius» harrte am Montag genau zwischen Malta und Italien in etwa 60 Kilometern Entfernung zu den Küsten aus und wartete auf weitere Anweisungen. Rund 100 Kilometer südlich von Malta nahm ein maltesisches Militärschiff am Morgen 114 Bootsflüchtlinge auf, die auf einem Schlauchboot unterwegs waren.
Die Grenzschutzagentur Frontex teilte unterdessen mit, dass in den ersten sieben Monaten des Jahres rund 73'500 Flüchtlinge und Migranten in Europa ankamen. Damit sei die Zahl im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 43 Prozent zurückgegangen. Vor allem über die zentrale Mittelmeerroute zwischen Libyen und Italien kamen demnach deutlich weniger Menschen. In Spanien landeten dagegen mehr als doppelt so viele an.