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Israel: Ultraorthodoxe müssen künftig in die Armee
Aus Echo der Zeit vom 25.06.2024. Bild: Keystone/ARIEL SCHALIT
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Strenggläubige ins Militär «Das Urteil wird in Israel zu Diskussionen führen»

Das Oberste Gericht in Israel hat entschieden, dass auch ultraorthodoxe Juden Wehrdienst leisten müssen – nachdem für sie seit Jahrzehnten eine Ausnahmeregelung gegolten hat. Die Journalistin Andrea Krogmann in Jerusalem weiss mehr über die Hintergründe.

Andrea Krogmann

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Andrea Krogmann lebt und arbeitet als Korrespondentin u.a. für die Katholische Nachrichtenagentur in Jerusalem. Vor kurzem ist ihr (Blog-)Buch «(Un-)Heiliges aus dem Heiligen Land» erschienen.

SRF News: Wie begründet das höchste Gericht Israels seinen Entscheid?

Andrea Krogmann: Es geht um die gleichberechtigte Beteiligung am Dienst für den Staat, im vorliegenden Fall für die Armee. Angesichts des seit Monaten andauernden Krieges gehe es um die Frage, ob die Ausnahme für Ultraorthodoxe eine Härte gegenüber den anderen Israelis darstelle, wie sich der Gerichtspräsident ausdrückte.

Wie das Gerichtsurteil in der Praxis umgesetzt wird, wird sich zeigen.

Gilt in Israel jetzt also die Wehrpflicht ohne Ausnahme?

So zumindest lautet das Gerichtsurteil. Wie das in der Praxis umgesetzt wird, wird sich zeigen. Denn bestimmte Kreise – die streng religiösen Juden – werden sich dem Wehrdienst weiterhin entziehen wollen.

Die Ausnahme für die ultraorthodoxen Juden galt seit Israels Staatsgründung 1948. Warum überhaupt hat man sie von der Wehrpflicht befreit?

Zu Beginn handelte es sich bloss um eine kleine Gruppe Ultraorthodoxer, die man vom Wehrdienst ausgenommen hat – es waren nur rund 400 Männer. Man dachte wohl, auf sie komme es kaum an. Dass sich die Demografie in Israel in der Art entwickelt, dass es nun mindestens mehrere Zehntausend Männer sind, hat damals niemand erwartet.

Netanjahu-Koalition mit Gesetz aufgelaufen

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Die Ausnahme bei der Wehrpflicht für ultraorthodoxe Männer ist vor drei Monaten ausgelaufen. Netanjahus Regierung gelang es jedoch nicht, ein Gesetz zu verabschieden, das die Erleichterungen zementieren sollte. Daraufhin ordnete das höchste Gericht eine Streichung der staatlichen Subventionen für ultraorthodoxe Männer im wehrpflichtigen Alter, die in Religionsschulen studieren.

Die Generalstaatsanwältin entschied zudem, das Militär sei verpflichtet, auch die bisher weitgehend befreiten Religionsstudenten einzuziehen. Nach Angaben des Gerichts handelt es sich um 63'000 Männer. Am Streit um ein Gesetz, das schrittweise mehr streng religiöse Männer zum Dienst an der Waffe verpflichten sollte, war 2018 eine Regierungskoalition zerbrochen. Es gibt aber auch ultraorthodoxe Männer, die freiwillig dienen. (sda)

Rabbiner hatten damit gedroht, dass die Strenggläubigen Israel verlassen würden, sollten sie zum Wehrdienst einberufen werden. Was sagen sie heute?

Die ultraorthodoxen Kreise reagieren sehr kritisch auf das Gerichtsurteil. Das Gericht kenne den Wert des Studiums der Thora nicht – und könne ihn auch nicht einordnen, sagen sie. Der Vorsitzende der Schas-Partei ging sogar so weit zu sagen, dass die Thora und die Strenggläubigen durch ihr Thora-Studium im Feldzug Wunder bewirken würden. Bislang war aber nicht zu hören, dass man das Land jetzt verlassen werde. Doch es ist wohl mit politischem Widerstand und Demonstrationen zu rechnen.

Es wird verlangt, das Urteil umgehend umzusetzen.

Wie reagiert die normale Bevölkerung in Israel?

Die Organisation, die hauptsächlich dafür verantwortlich ist, dass es zu einer gerichtlichen Beurteilung kam, sprach von einem historischen Schritt, der zu einer gleichberechtigteren Gesellschaft führe. Ähnliches war von der politischen Opposition zu hören. Es wird jetzt auch verlangt, das Urteil umgehend umzusetzen.

Die ultraorthodoxen Parteien in der Regierung von Benjamin Netanjahu sind gegen die Dienstpflicht für Strenggläubige. Was bedeutet das Urteil also für Israels Regierung?

Das Urteil wird zwar zu politischen Diskussionen und Konflikten führen, zumal das Gericht es der israelischen Regierung auch verboten hat, Religionsschulen weiterhin finanziell zu unterstützen, deren Studenten nicht ins Militär gehen. Dabei geht es um hohe Millionenbeträge. Doch ich denke nicht, dass das Urteil unmittelbar grossen Einfluss auf die jetzige Regierungskoalition haben wird.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

Echo der Zeit, 25.6.2024, 18:00 Uhr ; 

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