Die ganze Welt konnte zuschauen, wie am Mittwoch Tausende von Trump-Anhängern durch die Barrikaden vor dem US-Kongress-Gebäude brachen und wie Hunderte von ihnen das Kapitol stürmten. Es war ein Sicherheitsdebakel der Sonderklasse. Ausgerechnet in der Hauptstadt jenes Landes, das stolz ist auf die Schlagkraft der Polizei und des Militärs. Wie konnte das geschehen?
Für den Sicherheitsexperten Rodney Parks ist klar: Verantwortlich für das Sicherheitsdebakel ist primär die Parlaments-Polizei, die Capitol Police. Sie habe das Risiko völlig falsch eingeschätzt. Man habe gewusst, dass eine gewaltbereite Gruppe nach Washington kommen würde, sogar die Zeitung Washington Post habe darüber geschrieben, so Parks. Er sei von der Polizei erst über den Angriff informiert worden, als bereits Schüsse fielen, sagt Parks.
Weniger Polizisten als bei BLM-Protesten
Rodney Parks, der einstige Vize-Chef der Polizei des Hauptstadtbezirks District of Columbia, ist heute für die Sicherheit einer Bibliothek zuständig, die nur wenige Schritte vom Kapitol entfernt ist. Ganz anders seien die Sicherheitskräfte mit den linken Black-Lives-Matter-Protesten umgegangen, was der Afroamerikaner Parks als klaren Beweis einer Doppelmoral ansieht. Das Polizeiaufgebot sei viel kleiner ausgefallen bei den weissen Trump-Protesten, so Parks.
Das rächte sich. Als die wütende Menschenmasse die Barrikaden vor dem Kapitol durchbrach, war es bereits zu spät. Die Capitol Police war überfordert. Sie ist für solche harten Masseneinsätze nicht ausgebildet. Sie rief nach Verstärkung, aber viel zu spät. Schliesslich rückte die Polizei des District of Columbia ein und begann das Gebäude zu räumen.
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Bild 1 von 15. Ein Kapitol-Polizist patroullierte vor dem Eingangsportal des Kapitols in Washington. Bildquelle: imago images.
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Bild 2 von 15. Kaputtes Fenster und Anti-Antifa-Kleber beim Eingangsportal. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 15. Ein Mann schaute durch die zerstörte Türe des Haupteingangs. Bildquelle: imago images.
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Bild 4 von 15. Durch dieses Fenster kletterten die Trump-Anhänger. Bildquelle: imago images.
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Bild 5 von 15. Auch hier verschafften sich die Demonstranten Zugang zum Gebäude. Bildquelle: imago images.
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Bild 6 von 15. Spuren von Tränengas und Feuerlöscher auf dem Fussboden. Bildquelle: imago images.
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Bild 7 von 15. Vandalenakte im Innern des Gebäudes. Bildquelle: imago images.
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Bild 8 von 15. «Verräter» steht an der alten Zimmertüre des Supreme Courts. Bildquelle: imago images.
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Bild 9 von 15. «Verrat» steht auf dieser zurückgelassenen Fahne der Trump-Fans. Die Feuerlöscher wurden zum Teil als Waffen benutzt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 15. Auch hier waren noch die Spuren von Tränengas und Feuerlöscher zu sehen. Bildquelle: imago images.
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Bild 11 von 15. Diese Statue von Präsident Zachary Taylor (1849-1850) wurde mit einer roten Substanz im Gesicht verschmiert. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 15. Auch das Schild vor dem Büro von Nancy Pelosi wurde in Mitleidenschaft gezogen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 13 von 15. Glassplitter und Trump-Utensilien an der Ostseite des Gebäudes. Bildquelle: Keystone.
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Bild 14 von 15. Die Aufräumarbeiten waren Tage später noch im Gang. Bildquelle: Keystone.
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Bild 15 von 15. Erinnerungen an den Sturm auf das Kapitol: Polizeischild, Defibrillator und Pfefferspray an der Südtüre. Bildquelle: Keystone.
Experte: Kapitol ist ein Löchersieb
Das Kapitol zu schützen, sei grundsätzlich eine unmögliche Aufgabe, sagt Danny Coulson. Er arbeitete einst als FBI-Agent auf dem Kapitolshügel, heute besitzt er eine Sicherheitsfirma in Texas. Das Kapitol sei ein Löchersieb, konzipiert als offenes Haus des Volkes, nicht als Festung. Jeder Ansturm werde erfolgreich sein, so Coulson. Man hätte die Massen also gar nicht erst an das Gebäude heranlassen sollen.
Er sieht die Verantwortung bei den Sicherheitschefs des Parlaments, beide sogenannten «Seargent-at-Arms» sind inzwischen zurückgetreten. Aber auch die Trump-Regierung hätte mehr tun können, sagt der bekennende Trump-Wähler. Eine Ungleichbehandlung von linken und rechten Gruppierungen sieht Coulson jedoch nicht – die Strafverfolgung sei auch gegenüber der Antifa zu lasch – und nun würden deren Taktiken von rechts kopiert.
Weitere gewaltsame Aktionen angekündigt
Rechtsradikale Gruppen rufen bereits zur nächsten gewaltsamen Aktion auf, am Tag der Amtseinweihung von Joe Biden in zwei Wochen, im Rahmen einer Gegenveranstaltung von Ex-Präsident Trump. Coulson hält es für eine schlechte Idee, die Amtseinweihung wie üblich vor dem Kapitol im Freien abzuhalten. Er würde die Veranstaltung in ein Sport-Stadion verlegen, wo man besser Sicherheits-Perimeter definieren, sowie Zäune und Hunde einsetzen könne.
Rodney Parks, der ehemalige Vize-Chef der Stadtpolizei des Districts of Columbia, hält das nicht für nötig. Diesmal wisse man, wozu die Trump-Anhänger fähig seien, und die nötigen Ressourcen würden bereitgestellt.