Der frühere ägyptische Präsident Mohammed Mursi ist tot. Der ehemalige Staatschef ist während eines Prozesses gegen ihn ohnmächtig geworden und später im Spital gestorben. Islamwissenschaftler Reinhard Schulze erklärt, welche Konsequenzen nun möglich sind.
SRF News: Mohammed Mursi ist unter ungewöhnlichen Umständen gestorben. Könnte das zu Unruhen führen in Ägypten?
Reinhard Schulze: Es wird sicherlich erst mal zu Verschwörungstheorien führen. Auch die Muslimbrüder lieben Verschwörungstheorien – und es wird bei ihnen zunächst sicherlich darum gehen, Mursi so als Opfer darzustellen, dass der Staat als Täter angesehen wird.
Und je nachdem wie die Informationen und auch die Verschwörungstheorien verbreitet werden, etwa durch den Sender Al-Jazeera in Katar, desto eher besteht die Möglichkeit, dass dann auch eine Mobilisation auf der Strasse stattfinden wird.
Wie gross ist dieses Mobilisierungspotential? Die Muslimbruderschaft ist ja verboten in Ägypten. Sie arbeitet im Untergrund.
Da sind sich die Analysten nicht einig. Die einen behaupten, dass immer noch hierarchische Strukturen bestehen, die geeignet sind, grössere Massen auf der Strasse zu mobilisieren. Andere meinen – weil inzwischen schon Zehntausende verhaftet und ins Gefängnis gesteckt worden sind –, dass es überhaupt keine entsprechenden Strukturen mehr gibt, so dass eigentlich keine Gefahr mehr bestünde, dass es zu einer grossen Mobilisation kommt.
Könnte der Tod von Mursi über Ägypten hinaus Auswirkungen haben?
Es könnte durchaus sein, dass gerade Exilpolitiker der Muslimbrüder versuchen werden, in der Öffentlichkeit, etwa in den westlichen Ländern, aber auch in der arabischen Welt, Stimmung zu machen gegen Ägypten, um dort dann auch zu einer Mobilisation auf der Strasse beizutragen.
Das Gespräch führte Franz Fischlin.