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Mount Everest: Strittige Massnahmen gegen den Abfall
Aus Echo der Zeit vom 18.03.2024. Bild: Imago Images
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Tourismus in Nepal Weniger Spa und mehr Abenteuer am Mount Everest

In der Hochsaison im April und Mai stauen sich die Alpinistinnen und Alpinisten am höchsten Berg der Welt. Es gibt Unfälle, Tote, viel Abfall. Dem will Nepal jetzt gegensteuern: Luxustourismus mit Helikopterflügen und Spa-Zelt im Basislager sollen begrenzt werden. Nicht alle finden das gut.

Himmelbett-Übernachtung im geheizten Dom-Zelt, privates WC, Gourmet-Essen auf dem Gletscher und Massagen im höchsten Spa-Zelt der Welt, auf über 5000 Metern Höhe: So wirbt das US-Unternehmen «Climb the Seven Summits» in den sozialen Medien um Luxus-Bergtouristen im Everest-Basislager.

Diesen Luxus-Tourismus will Nepal nicht länger dulden: Betroffene Everest-Gemeinden und die Regierung wollen schon für die anstehende Frühjahrssaison neue Regeln erlassen. Zwei neue Tourismusgesetze sind gerade in Abstimmung.

Weniger Platz pro Zelt

Vorgesehen ist unter anderem, den Zeltplatz pro Tourist deutlich zu begrenzen. Speisezelte und private Toilettenzelte sollen ganz verschwinden, Helikopterflüge auf Rettungseinsätze reduziert werden. Alle kommerziellen Aktivitäten im Everest-Basislager, die nichts mit dem Bergsteigen zu tun haben, sollen verboten werden.

Ausblick auf Zelte und Mount Everest aus einem Zelt heraus.
Legende: Im Basecamp des Mount Everest wurden in den letzten Jahren immer grössere und luxuriösere Zelte installiert, um gut betuchten Bergsteigern jeden Luxus zu bieten. Doch das soll jetzt ändern: Der Platz pro Bergsteiger und Zelt wird beschränkt. (Bild von 2009) Billi Bierling

Zur Begründung sagt Rakesh Gurung, der im nepalesischen Tourismusministerium für die Entwicklung des Tourismus zuständig ist: «Bergsteigen ist Abenteuer. Darum müssen Luxus-Aktivitäten wie Spa gestoppt werden.»

Aufstieg nur noch mit Kotbeutel im Rucksack

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Legende: Foto: Billi Bierling

Die neuen Regeln («Base Camp Management Procedure 2024») sollen helfen, den Mount Everest sauber zu halten. Denn jahrzehntelanger Bergtourismus hat seine Spuren hinterlassen: Alte Zelte, leere Sauerstoffflaschen und viele Kothaufen zum Beispiel. Neu sollen Bergsteiger und Bergsteigerinnen, die den höchsten Berg der Welt besteigen, spezielle Säcke («wag bag») mit sich führen, ihre Exkremente darin sammeln und wieder nach unten tragen. Zudem müssen sie acht Kilogramm Abfall zum Basislager zurückbringen.

Darüber hinaus sollen künftig nur noch autorisierte Bergsteiger und ihre Helfer Zugang zum Everest-Basislager bekommen, PR-Manager und Familienmitglieder aber nicht. Kommerzielle Aktivitäten wie Bars und Cafés in Extra-Zelten werden verboten, genauso wie private WC-Zelte oder blinkende Lichter. Die neuen Regeln sollen schon in der anstehenden Frühjahrssaison im April und Mai in Kraft treten.

Die geplanten neuen Regeln sollten auch die Ressourcen schonen, betont Gurung. Darum werden Bergsteiger unter anderem verpflichtet, ihre Exkremente in speziellen Beuteln selbst wieder nach unten zu tragen. «Das Weltkulturerbe Mount Everest muss geschützt werden», sagt Gurung. Abfall sei ein grosses Problem.  

Gurung im Büro, mit Brille.
Legende: Rakesh Gurung, Direktor Tourismusentwicklung, will selbst noch im März ins Basislager des Mount Everest wandern – und mit dem Heli wieder herunterfliegen. SRF/Maren Peters

Allein im letzten Jahr hätten rund 2000 Menschen das Everest-Basislager besucht. Der menschliche Fussabdruck müsse kleiner werden, sagt Tourismusplaner Gurung. Nicht leiden soll dabei der finanzielle Fussabdruck: Die Regierung in Kathmandu will den Eintrittspreis für den Zugang zum Everest von 11'000 auf 15'000 Dollar erhöhen.

Ortungschip für alle

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Ab diesem Frühjahr müssen die Gipfelstürmer am Mount Everest einen Ortungschip mit sich führen. Dieser Chip, der zwischen zehn und 15 Dollar kostet, soll in die Daunenjacken der Bergsteiger und Bergsteigerinnen eingenäht werden und wird nach der Tour wieder zurückgegeben.

Ziel sei es, die Such- und Rettungszeiten im Fall eines Unfalls zu verkürzen, sagte Rakesh Gurung vom nepalesischen Tourismusministerium im Gespräch mit SRF. Solche Chips werden von einigen Expeditionsveranstaltern schon länger freiwillig eingesetzt. Im vergangenen Frühjahr kamen auf der nepalesischen Seite des Everest (nach Zählung der Himalayan Database) 17 Menschen ums Leben, mehr als jemals zuvor in einer Saison. Nicht alle Vermissten wurden gefunden.

Enttäuschter US-Anbieter

Für Luxus-Trekkinganbieter wie «Climb the Seven Summits» sind die Pläne eine böse Überraschung. Sie habe erst vor Kurzem davon erfahren, sagt Co-Chefin Caroline Pemberton. Die Everest-Touren für diese Saison, die im April beginnt, seien längst verkauft. Daran hingen Millionen von Dollar an Investitionen und Hunderte lokaler Arbeitsplätze.

«Ich bin sehr traurig und enttäuscht», sagt Pemberton. «Wir haben sehr viel zu dieser Industrie und der nepalesischen Wirtschaft beigetragen und würden das auch gerne weiter tun.» Ihr Unternehmen sei eines der ersten gewesen, das Abfall und Exkremente wieder nach unten getragen habe. Freiwillig.

Zelte im Basecampt, im Hintergrund der Mount Everest.
Legende: Noch vor 20 Jahren hielt sich der Aufmarsch im Basecamp in viel kleinerem Rahmen. (Bild von 2003) Imago

Im Übrigen gebe es vergleichsweise wenige Luxus-Bergtouristen, sagt die Australierin. In ihrem Unternehmen seien es bloss vier bis sechs pro Jahr. Diese gäben in Nepal zehnmal mehr Geld aus als ein durchschnittlicher Everest-Tourist. Ihr Ressourcenverbrauch sei aber kaum grösser als der eines Durchschnittsberggängers.  

«Auch Luxus-Touristen mit privatem WC-Zelt gehen ja nicht öfter auf die Toilette als andere», sagt Pemberton.

Nepalesen wollen Geschäft in eigenen Händen

Die Australierin, die mit Ehemann und Extrem-Bergsteiger Mike Hamill das Unternehmen führt, vermutet ganz andere Motive hinter den geplanten Verboten: «Wir haben Gerüchte gehört, dass einheimische Unternehmen internationale Konkurrenten wie uns loswerden wollen.»

Nacht-Flugaufnahme des Basecamps.
Legende: Das Everest-Basecamp präsentiert sich in der Hauptsaison wie eine kleine Stadt. Hunderte Menschen – nur ein kleiner Teil von ihnen sind Touristen und Bergsteiger, die meisten sind nepalesische Helfer, Bergführer und Sherpas – warten dann darauf, den Aufstieg auf den höchsten Berg der Welt in Angriff zu nehmen. Reuters

In der Tat dementiert das Dawa Steven Sherpa, Chef des nepalesischen Verbands der Trekking-Anbieter, nur halbherzig. Es liege nun mal in der Natur des Wettbewerbs, Konkurrenten vom Markt zu drängen, sagt er lachend.

Die neuen Regeln richteten sich zwar nicht primär gegen ausländische Anbieter, aber: Es sei eine Tatsache, dass nepalesische Anbieter von Jahr zu Jahr professioneller würden, ihren Service aber trotzdem günstiger anbieten könnten als ausländische Firmen. Das setze diese zunehmend unter Druck.

«Die neuen Regeln zielen nicht darauf, Luxus am Everest-Basislager zu bannen», sagt Steven, der selbst Trekking-Unternehmer und Bergführer ist und die Regierung bei der anstehenden Regulierung beraten hat. Es gehe eher darum, mehr Platz für alle zu schaffen, etwa durch kleinere Zelte. Und darum, Überflüssiges vom Berg zu verbannen. Über die Details der Umsetzung könne man noch diskutieren.

Eines müsse man bei der Diskussion immer im Hinterkopf behalten, sagt Steven: «Bergtourismus ist für Nepal zuallererst ein wichtiges Geschäft.» Die Regierung wolle dieses Geschäft nachhaltiger machen. Aber ganz bestimmt nicht beschneiden.

Nur noch qualifizierte Bergsteiger?

Die schweizerisch-deutsche Extrembergsteigerin, Buchautorin und Wahl-Nepalesin Billi Bierling ist überzeugt, dass der Mount Everest noch mehr Touristinnen und Touristen vertragen kann. Aber nur, wenn Nepal es «richtig» mache und die Bergtouristinnen und -touristen respektvoller mit dem Berg umgingen.

Anbieter wollen sich gegenseitig überbieten

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Legende: Billi Bierling. Billi Bierling

Sie selbst brauche keinen Luxus am Berg, sagt Billi Bierling, die sechs der 14 Achttausender bestiegen hat. Aber sie könne verstehen, dass sich einige Trekking-Unternehmen über die Pläne der Regierung aufregten, Luxus zu begrenzen. Sie lebten ja von diesem Geschäft – so wie Bergführer in Zermatt auch davon lebten und nicht glücklich wären, wenn ihnen jemand dieses Geschäft wegnähme.

Der Luxus am Everest habe sich über die Jahre hochgeschaukelt. Bekannte Bergführer wie Kari Kobler und Russell Brice hätten irgendwann einen Whitepod, also ein grosses Dom-artiges Zelt, für die Kletter-Touristinnen und Touristen aufgestellt. Im nächsten Jahr habe die Konkurrenz auch einen gehabt, noch ein bisschen grösser und ein bisschen besser isoliert. Irgendwann seien auch die nepalesischen Sherpas aufgesprungen und hätten gesagt: «Was ihr Westler könnt, das toppen wir ja zehnmal!» Es habe sich hochgeschaukelt.

Das sei in Nepal so, aber auch in der Schweiz, sagt Bierling. Und jetzt hätten die Berggänger am Everest noch ihre eigenen Toiletten. Eigentlich ein totaler Käse, findet sie, weil es dann ja immer rieche im Zelt. Wenn man diese privaten Toiletten-Zelte nun verbiete, könnte das für die Berg-Aspirantinnen und Aspiranten sogar ein Vorteil sein.

Die Alpinistin, die 2009 selbst auf den höchsten Berg gestiegen ist, leitet die Himalayan Database, eine Zusammenstellung von Aufzeichnungen über alle Expeditionen, die im nepalesischen Himalaya unternommen wurden. Diese Statistik zeigt, dass die Zahl der Besteigungen in den letzten 10 bis 15 Jahren deutlich gestiegen ist.

Frau sitzt auf einem Stein, im Hintergrund der Mount Everest.
Legende: Der Traum vieler Berggängerinnen und Trekker: Den Mount Everest zumindest einmal aus der Nähe sehen. Doch das könnte bald vorbei sein: Die nepalesische Regierung will den Zugang zum Everest-Basecamp nur noch Bergsteigerinnen und Bergsteigern gestatten. Billi Bierling

Billi Bierling hat aber Zweifel, ob mit dem geplanten Luxus-Bann im Everest-Basislager die gewünschten Ziele erreicht werden. Viel sinnvoller wäre es, findet sie, den Zugang zum Everest für wenig qualifizierte Berggänger zu erschweren.

«Es ist wirklich Wahnsinn, wie viele Leute und was da alles hochkommt», sagt die Wahl-Nepalesin. Viele könnten nicht einmal mit Steigeisen umgehen und hätten sich vorher noch nie angeseilt. Bierling hat einen Vorschlag, wie man die Spreu vom Weizen trennen könnte: «Wer auf den Everest will, muss vorweisen, schon einmal auf einer 8000er-Expedition gewesen zu sein.»

Das sei bereits seit vielen Jahren immer wieder im Gespräch, sagt Bergführer Dawa Steven. Aber chancenlos. «Wenn Nepal den Zugang erschwert, steigen die Leute von China aus auf den Everest», sagt er. China gehört die andere Hälfte des Berges. Und China ist nicht so stark abhängig von den Lizenz-Einnahmen wie der kleine, arme Nachbarstaat. 

Eine einseitige Zugangsbegrenzung könne sich Nepal schlicht nicht leisten.

Echo der Zeit, 18.03.2024, 18 Uhr

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