Seit Mittwochmorgen wird der Leichnam von Papst Franziskus im Petersdom aufgebahrt. Heute ist der letzte Tag, an dem Gläubige Abschied nehmen können. Und alle anderen, die einen letzten Blick auf den verstorbenen Pontifex erhaschen möchten.
Der Andrang war gewaltig. Die Warteschlange zog sich von verschlungenen Strässchen über den Petersplatz in den Dom hinein. Zu Spitzenzeiten betrug die Wartezeit in den letzten Tagen mehr als drei Stunden.
Isabelle Maissen, Host des SRF-Podcasts «News Plus», weilt derzeit mit ihrer Familie in Rom, für einen schon länger geplanten Urlaub. Auch sie nutzte die Gelegenheit, um an diesem besonderen, ja historischen Moment in den Petersdom zu gehen.
Maissen war durchaus ergriffen vom Anblick des Verstorbenen. «Wie er so da lag, mit gefalteten Händen in diesem schlichten Holzsarg, das hat mich schon berührt.»
Ein Selfie zum Abschied
Das Warten in der Morgendämmerung nahm sie als friedlich und ruhig wahr, im Petersdom selbst hat die Journalistin auch erlebt, wie Leute munter Fotos und Selfies machten.
«Zwanzig, dreissig Meter vor dem Sarg weist das Personal dann aber recht deutlich darauf hin, dass keine Fotos mehr gemacht werden dürfen.» Dass sich daran lange nicht alle hielten, belegt ein Blick in die sozialen Medien:
Manche Mitglieder der «Trauer-Community» fotografierten im Vorbeigehen nicht nur den Leichnam, sondern posierten auch gleich für ein Selfie. Wie englische Boulevardmedien berichten, sollen in allzu pietätlosen Fällen die Wachen der Schweizergarde eingeschritten sein.
«Sorelle, Sorelle!»
«Das Lustigste und gleichzeitig Bedenklichste war, dass ziemlich viele Nonnen gegen die Regel verstossen haben», sagt Maissen. Die Rufe der Aufseher an die «Sorelle, Sorelle!» (dt. «Schwestern!»), doch bitte nicht zu fotografieren, verhallten in den Weiten des Petersdoms.
«Die Nonnen haben trotzdem immer wieder das Handy gezückt», beschreibt Maissen die Szenerie, der fast schon etwas Slapstick-artiges anhaftet.
Abschied vom Hirten…
Einen Leichnam zu fotografieren, mag man als geschmacklos empfinden. Machen es tiefgläubige Menschen, kann man das auch anders sehen: Sie wollen einen Moment verewigen, der sie zutiefst berührt.
«Vielen Gläubigen bedeutet dieser Papst, diese Kirche, sehr viel», sagt Judith Wipfler, langjährige Religionsredaktorin von SRF, die auch schon den Abschied von Johannes Paul II. selbst erlebt hat.
Doch was treibt Menschen an, in Massen zu Franziskus’ aufgebahrtem Leichnam zu strömen? Für Wipfler ist das auch einem einfachen Umstand geschuldet: Franziskus selbst hat 2025 zum heiligen Jahr ausgerufen und verstarb just während der Ostertage, dem höchsten Fest des Christentums. «All die Menschen, die den Papst eigentlich lebendig sehen wollten, pilgern jetzt zu seinem offenen Sarg», sagt Wipfler.
…und einer historischen Figur
SRF-Journalistin Maissen ist nicht gläubig. Sie gehörte zu den vielen Besucherinnen und Besuchern, die zufällig in der Ewigen Stadt weilten, als der Pontifex verstarb.
Einen Menschen von welthistorischer Bedeutung aufgebahrt im offenen Sarg zu sehen, sei trotzdem ein besonderer Moment gewesen. Ein Gefühl, das sie mit vielen anderen Menschen teilen dürfte – egal, ob gläubig oder nicht.