Am Dienstag war Wolodimir Selenski noch am gefährlichsten Abschnitt der Front. Überraschend hatte er die ukrainischen Truppen in der schwer umkämpften und komplett zerstörten Stadt Bachmut besucht. Ein symbolisch wichtiger und ausserordentlich mutiger Besuch.
Nun ist Selenski auf dem Weg nach Washington. Es ist eine Reise, die den weiteren Gang des Krieges beeinflussen könnte. Denn, es ist nicht nur der bisher einzige Auslandtrip des ukrainischen Staatschefs seit dem russischen Grossangriff. Selenski hat auch ein reiches, beeindruckendes Programm. Joe Biden wird ihn empfangen, er darf vor dem US-Kongress sprechen.
Zudem dürfte der Ukrainer ein umfangreiches, neues Paket an Waffenhilfe erhalten. Raketen, Artilleriegranaten und weiteres Kriegsgerät im Umfang von 1.8 Milliarden US-Dollar sollen die Amerikaner in Aussicht gestellt haben. Auch ein Patriot-System ist offenbar dabei in der Lieferung – eines der potentesten Luftverteidigungssysteme, die es gibt.
Selenski sendet Signal an Moskau
Diese Reise bringt also der bedrängten Ukraine wichtigen politischen und militärischen Rückhalt. Sie ist aber vor allem auch ein Signal an Moskau. Die Amerikaner sagen den Russen quasi: Selenski ist unser Mann, wir werden die Ukraine weiter unterstützen – so lange, wie es nötig ist.
Der Zeitpunkt der Reise ist wohl kein Zufall. Denn der Krieg in der Ukraine steht vor einem neuen Abschnitt. Russland plant eine neue Offensive. Nicht nur liess der Kreml hunderttausende Soldaten einziehen. Er hat auch frische Einheiten nach Belarus entsandt. Von dort aus könnte ein neuer Angriff auf die ukrainische Hauptstadt Kiew erfolgen, vielleicht im Januar oder im Frühling.
Auffallend ist auch, dass Wladimir Putin in den letzten Tagen viel unterwegs war in Sachen Krieg: Er reiste in eine geheime Kommandozentrale, um sich mit Kommandeuren zu besprechen. Er reiste in die belarussische Hauptstadt Minsk – offenbar, um den dortigen Diktator Lukaschenko zur Kriegsteilnahme zu drängen.
Amerika erhöht Einsatz
Die Russen nehmen also Anlauf, um den Krieg weiter zu eskalieren. Ihr Ziel scheint weiterhin die Unterwerfung der Ukraine zu sein. Die Ukraine soll – wenn es nach den Plänen des Kreml geht – als unabhängiger Staat aufhören zu existieren.
Für die Ukrainer ist das ein existenzieller Kampf. Es geht um Sein oder nicht Sein.
Nun erhöhen auch die Amerikaner ihren Einsatz. Mit der demonstrativen und massiven militärischen Unterstützung für Selenski wird dieser Krieg auch ein Stück weit zu Amerikas Krieg.