In der Weltpolitik ist ein Freund oft bloss der Feind des Feindes – und einer, der hat, was man selbst nicht hat. So betrachtet sind der russische Präsident Wladimir Putin und der Oberste Führer Nordkoreas, Kim Jong-un, ein regelrechtes Traumpaar.
Am Gipfeltreffen auf einem russischen Weltraumbahnhof gaben sich die beiden jedenfalls als alte Freunde. «Alte Freunde sind die besten Freunde», sagte Putin, «ein alter Freund ist besser als zwei neue.»
Gigantische Materialschlacht
Kim versprach Putin die «volle und bedingungslose» Unterstützung für dessen Krieg gegen die Ukraine. Der russische Präsident darf sich vermutlich auf Waffen und Munition, etwa Artilleriegranaten, aus den nordkoreanischen Beständen freuen. Zwar wird der Transport kein Leichtes sein, liegen doch 9000 Kilometer zwischen Nordkorea und der Ukraine. Doch jede Granate zählt. Der Ukraine-Krieg ist zur gigantischen Materialschlacht geworden, es geht beiden Kriegsparteien vor allem darum, nicht zu verlieren.
Natürlich freundet sich Putin aus einer Position der Schwäche mit Kim an, viele Staaten ächten ihn, er ist isoliert. Doch über das Resultat darf er sich freuen, er geht gestärkt aus dem Treffen hervor. Putin hat Kim im Gegenzug alles zu bieten, was das bitterarme Nordkorea dringend benötigt: Lebensmittel, Treibstoff, Devisen – aber auch Hightech für die nordkoreanische Rüstungs- und Raumfahrtindustrie.
Subtiles Signal an China
Darüber hinaus wollen Putin und Kim aber vor allem ein Zeichen setzen. Wenn der russische Präsident Waffen in Nordkorea kauft, verletzt er die Resolution 1874 des UNO-Sicherheitsrats, der er selbst und übrigens auch China zugestimmt haben. Mit der Annäherung an Kim beseitigt Putin eines der letzten Übereinkommen der Weltgemeinschaft, dass nämlich das Schreckensregime von Nordkorea zu ächten ist.
Jetzt tun sich die Geächteten zusammen und scheinen der Welt zu sagen: Wir können auch ohne euch – unser Ruf ist zwar ruiniert, dafür lebt es sich jetzt ganz ungeniert. Die russisch-nordkoreanische Partnerschaft ist aber auch ein subtiles Signal an China. Russland und Nordkorea haben sich in den vergangenen Jahren nämlich immer abhängiger von China gemacht.
China aber hat Russland nicht, oder zumindest nicht im grossen Stil, mit Waffen für den Ukraine-Krieg versorgt. Ausserdem versucht China, das Nachbarland Nordkorea unter Kontrolle zu halten.
Ein kleines Stück Unabhängigkeit
Für Russland und Nordkorea ist China also kein Traumpartner. Denn China setzt die wirtschaftliche und politische Rivalität mit den USA an erste Stelle. Vom Krieg gegen die Ukraine und den ständigen Drohungen Kims dürfte die chinesische Regierung nicht wirklich begeistert sein.
Mit ihrer neuen Partnerschaft gewinnen Putin und Kim also ein kleines Stück Unabhängigkeit zurück. Als «alte Freunde», die sich «vollen und bedingungslosen» Beistand geschworen haben.