Donald Trump möchte den Gazastreifen kaufen und die Bewohnerinnen und Bewohner des Gebiets dauerhaft in arabische Staaten der Region umsiedeln. Das hat der US-Präsident bei einem Treffen mit Jordaniens König Abdullah II. bekräftigt. Diesen Plan lehnt der jordanische König ab. Islamwissenschaftler Reinhard Schulze schätzt ein.
SRF News: Beim Treffen mit Trump hat der jordanische König Nein gesagt zu den Umsiedelungsplänen – kann er selbstbewusst Nein sagen?
Reinhard Schulze: Er wird das auf jeden Fall selbstbewusst vertreten. König Abdullah wird auch versuchen, in der jordanischen Öffentlichkeit und damit in der arabischen Öffentlichkeit zu zeigen, dass er die Alternative zu Trump ist. Und dass er mit seinem Nein auch gleichzeitig ein bestimmtes politisches Programm verbindet und versucht, das auch in der eigenen Gesellschaft, wie auch in der arabischen Öffentlichkeit durchzusetzen.
Jordanien ist finanziell abhängig von den USA. Was würde geschehen, wenn die USA Jordanien nicht mehr unterstützen würden?
König Abdullah würde Vorsorge tragen, indem er mit den Golfstaaten, mit Saudi-Arabien versuchen würde, Ersatz zu verhandeln. Daran kann man schon erkennen, dass es entweder in Richtung arabische Lösung oder amerikanische Lösung hinauslaufen wird. Wenn es eine arabische Lösung ist, wird auch Jordanien sehr viel stärker an die Logiken arabischer Politik im Nahen Osten angebunden werden als an die amerikanische Politik.
Wie könnte so eine arabische Lösung aussehen?
Es wird schon diskutiert, dass man für Gaza so etwas wie eine Lösung schaffen könnte, die man mit dem Dayton-Abkommen für Bosnien und Herzegowina entwickelt hat. Also so etwas wie eine internationale Gemeinschaft als eine Art von Souverän für die Bevölkerung und den Gazastreifen und gleichzeitig eine lokale Exekutive, die auch die Unabhängigkeit Gazas auch von Palästina mitgestalten könnte.
Wenn die israelische Politik so ausgerichtet ist, dass das jordanische Mandat in Bezug auf die Al-Aksa-Moschee zurückgefahren wird, dann wird es in Jordanien zu einer sehr heftigen Debatte kommen.
Der jordanische König ist Hüter der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem. Zudem leben in Jordanien viele Palästinenserinnen und Palästinenser, die König Abdullah auf die Finger schauen. Welche Gefahren lauern von seinem Volk auf ihn?
Solange Jordanien klarmachen kann, dass es immer noch ein Mandat hat in Bezug auf die Stiftungen und das Stiftungsland, das die Al-Aksa-Moschee umgibt, wird wahrscheinlich so etwas wie ein Konsens in der jordanischen Gesellschaft bestehen. Wenn hingegen die israelische Politik so ausgerichtet ist, dass das jordanische Mandat zurückgefahren wird, dann wird es in Jordanien zu einer sehr heftigen Debatte kommen. Das könnte dann die Legitimität des Herrscherhauses direkt infrage stellen.
Was würden Sie als Experte dem jordanischen König raten?
Ich würde auf alle Fälle versuchen durchzusetzen, dass es eine Art von reformierter Auffassung einer Zweistaatenlösung geben müsste. Dass also nicht das alte Ideal der Zweistaatenlösung im Vordergrund steht, sondern eine Art von neuer Verhandlung um eine Zweistaatenlösung in den Mittelpunkt der Politik gerückt würde. Denn damit hätte auch der König sehr viel mehr Spielraum, als wenn er sich festlegt auf eine Situation von 1967, die keine Möglichkeiten mehr eröffnet, mit der israelischen Politik und der Opposition in Israel so zu verhandeln, dass ein neuer nahöstlicher Konsens entsteht. Eine solche Politik sollte von Jordanien mit in Erwägung gezogen werden. Andernfalls droht eine Trumpsche Lösung – und die ist keine Lösung, die Jordanien überleben würde.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.