Was die Trump-Regierung aussenpolitisch wirklich will, ist immer noch unklar. Sechs Tage lang waren nun gleich vier US-Regierungsmitglieder in Europa unterwegs: Vizepräsident Mike Pence, Verteidigungsminister James Mattis, Aussenminister Rex Tillerson und Sicherheitsminister John Kelly. Ihr Ziel ist es, Vertrauen zu schaffen. Eine schwierige Mission. Zumal stets der Vorbehalt da ist, dass alles nur gilt bis zum nächsten Tweet aus dem Weissen Haus. Dennoch: Wo wissen wir nun mehr?
Nato: In dieser Frage äussern sich die Amerikaner am Konkretesten: Ja, das transatlantische Militärbündnis ist wichtig. Und ja, die USA bleiben voll engagiert. Sie unterstützen auch weiterhin die Stationierung von Nato-Truppen in Polen und im Baltikum. Es klingt also sehr viel anders als es Donald Trump im Wahlkampf angekündigt hat.
Allerdings: Die Europäer sollen selber mehr für ihre Verteidigung bezahlen. Washington will nicht länger allein die Hauptlast tragen. Das forderte aber auch schon Präsident Barack Obama. Der neue Pentagon-Chef, Ex-Viersterne-General James Mattis, geniesst das Vertrauen der Europäer. Manche fragen sich jedoch: Wie lange bleibt Mattis im Sattel, wenn er weiterhin in etlichen Punkten seinem Chef Trump widerspricht?
Russland: Flitterwochen zwischen Trump und Wladimir Putin zeichnen sich nicht ab. Entgegen den im Wahlkampf geschürten Erwartungen. Pence und Tillerson betonen zwar, man suche weiterhin nach Möglichkeiten, mit Russland enger zusammenzuarbeiten. Doch auf welchen Gebieten? Jedenfalls nicht militärisch, sagt Pentagon-Chef Mattis. Und Pence, Tillerson und Mattis kritisieren Russlands Aggression in der Ukraine. Auch in Moskau hängt man die Erwartungen bereits wieder niedriger. Aussenminister Sergej Lawrow spricht bloss noch nebulös von einer «pragmatischen Stärkung der amerikanisch-russischen Beziehungen».
EU: In Brüssel sicherte US-Vize Pence zu, sein Land wolle weiterhin eng mit der EU zusammenarbeiten. Was das konkret bedeutet, sagte er aber nicht. Aber es ist zumindest eine graduelle Abkehr von Trumps Wahlkampfäusserungen, wonach ihn der Brexit freue und es ihm egal ist, ob die EU überhaupt existiere oder nicht. Generell äussert sich die neue US-Regierung zu ihrem Verhältnis zur EU weitaus weniger konkret als zu jenem zur Nato.
UNO und multilaterale Organisationen: Dazu ist aus Washington so gut wie nichts zu hören. Auch jetzt auf der «Missionsreise» der vier Regierungsmitglieder wurde dieses Thema weitgehend ignoriert. Die Vermutung liegt nahe: Trump will nicht an die Regierung Obama anknüpfen, der die USA wieder zurückbrachte auf die multilaterale Bühne und für die Lösung von Problemen Partner suchte (Libyen, Syrien, Klimaschutz). Vizepräsident Mike Pence machte in München klar: Im Zentrum der US-Aussenpolitik steht nicht «Soft Power», sondern «Hard Power». Man will militärisch aufrüsten.
Syrien: Schweigen. Es ist völlig unklar, wo die USA da stehen. Zu Syrien äussert sich die neue Regierungsmannschaft einzig in Bezug auf den sogenannten «Islamischen Staat». Der soll vernichtet werden. Aber zur Zukunft des Landes, zur Frage, ob Diktator Baschar al-Assad abtreten soll, zur Rolle der USA in den Syrien-Verhandlungen, die diese Woche in Genf wieder aufgenommen werden: Nichts.
Nahost: Schlingerkurs im Palästinakonflikt. Zunächst wollte Trump die Zweistaatenlösung begraben. Vorige Woche beim Besuch von Israels Premier Benjamin Netanjahu in Washington meinte er, die Zweistaatenlösung sei eine denkbare Option. Also nicht die einzige. Tags darauf erklärte seine UNO-Botschafterin Nikki Haley, die USA hielten an der Zweistaatenlösung fest. Im Verhältnis zum Iran kündigt Trump an, das Atomabkommen zu kündigen und wieder auf Sanktionen zu setzen. Allerdings droht Trump nicht mit militärischen Mitteln. Teheran zeigt sich unbeeindruckt. Aussenminister Mohammed Javad Zarif verbat sich in München amerikanische Drohungen.
China: Eine erste Begegnung zwischen US-Aussenminister Rex Tillerson und seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi in Bonn verlief ohne Konflikte, aber auch ohne Ergebnisse. Die US-Regierung scheint Trumps ursprünglich sehr konfrontative Haltung zu China weichzuspülen. Peking macht zumindest gegenüber Nordkorea eine Geste, die in Washington positiv aufgenommen werden dürfte: Es reduziert die Kohleimporte aus Nordkorea massiv – und befolgt damit die UNO-Sanktionen besser als bisher.
Klimaschutz: Auffallend: Bei all den Europa-Auftritten von Trumps Führungsmannschaft kam das Thema nirgends – in keiner einzigen Ansprache oder Pressekonferenz – vor. Auch das ist eine Aussage.
Konflikte: Nicht nur zum Syrien-Konflikt ist aus Washington wenig zu vernehmen. Auch zu den Kriegen in Mali, Afghanistan, im Jemen oder in der Ukraine hört man sozusagen nichts. Ausländische Minister und Diplomaten beklagen, man habe zurzeit im US-Aussenministerium gar keine Ansprechpartner. Kompetente Leute wurden geschasst, viele gingen freiwillig. Qualifizierter Ersatz ist offenbar schwer zu finden.