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Truppenabzug aus dem Tschad Die «Franceafrique» ist wohl am Ende

Frankreich pflegte in Afrika während Jahrzehnten spezielle Beziehungen zu seinen Ex-Kolonien. Das scheint nun passé.

Der tschadische Verteidigungsminister liess bei seiner Rede vorige Woche keinen Zweifel daran, dass es seine Regierung ernst meint. Die 1000 verbliebenen französischen Soldaten müssten das Land verlassen, sagte er – «bis Ende Monat und definitiv».

Der Abzug der französischen Armee aus dem Tschad ist einschneidend. Das Land war der letzte Verbündete von Paris im Sahel-Gebiet. Während Jahrzehnten waren die Beziehungen sehr eng. Man sprach sich ab und man unterstützte sich.

Künftig nur noch zwei Militärbasen in Afrika

Das ist nun passé – und passé scheint inzwischen auch die lange Epoche der «Franceafrique», also dem oft kritisierten, nicht selten korrupten System, mit dem Paris seit den 1960er-Jahren seinen Einfluss im frankofonen Afrika sicherte.

Neben Tschad haben in den letzten Monaten auch Senegal und die Elfenbeinküste Frankreich aufgefordert, seine dort stationierten Truppen abzuziehen. Andere Länder in Afrika, insbesondere die anderen Sahel-Staaten, hatten Frankreichs Truppen bereits zuvor des Landes verwiesen.

Frankreich hat damit innert kurzer Zeit massiv an Einfluss in Afrika eingebüsst. Waren vor zehn Jahren noch über 5000 französische Soldaten in der Sahelzone stationiert, sind es bald keine mehr. Zudem ist die Zahl der afrikanischen Länder mit französischen Militärbasen allein in den letzten drei Jahren von acht auf in Kürze zwei geschrumpft.

Tschads Präsident Déby und Frankreich Präsident Macron blicken bei ihrem letzten Treffen freundlich in die Kamera
Legende: Tschads Präsident Mahamat Déby und Frankreich Präsident Emmanuel Macron bei ihrem letzten Treffen im Oktober 2024. Reuters / Benoit Tessier

Frankreichs Afrika-Politik liegt also weitgehend in Trümmern. Und in Afrika fordert man von Paris nun mehr Selbstbesinnung, mehr Selbstkritik. Doch die französische Regierung sieht das offenbar anders.

Macrons Provokation

Den Beleg dafür lieferte Präsident Emmanuel Macron letzte Woche gleich selbst. Bei einer Rede vor französischen Diplomaten liess er sich zur Aussage hinreissen, die Länder der Sahelzone hätten vergessen, sich bei Frankreich zu bedanken. Es sei klar, dass die dortigen Regierungen heute gar nicht an der Macht wären, wenn sich Frankreichs Armee dort nicht engagiert hätte.

Macrons Aussage kam – wenig überraschend – schlecht an in Afrika. Von Senegal bis Niger zeigte man sich empört über die Worte des Präsidenten. Tschads Präsident Mahamat Déby liess verlauten, Macron habe sich «in der Epoche geirrt».

Der französische Journalist Michael Pauron verfolgt die Afrika-Politik Frankreichs seit Jahren. Er sagt, Macrons jüngste Aussage sei kein Ausrutscher gewesen. Vielmehr trage der Präsident noch immer die Idee in sich, dass die früheren Kolonien in Afrika weiterhin eine Art Untergebene seien.

Ein Umdenken der Regierung beobachte er kaum, sagt Pauron - trotz des Misserfolgs auf dem Kontinent: «Im Grossen und Ganzen geht die französische Politik einfach weiter wie bisher.»

Neuer Fokus: das anglophone Afrika

Was sich geändert hat, ist indes der geografische Fokus Frankreichs in Afrika. Zuletzt war in Paris vermehrt die Rede davon, dass man sich nun anderen, vor allem englischsprachigen Ländern auf dem Kontinent zuwenden wolle, etwa Nigeria und Kenia.

Für Pauron ist jedoch klar, dass Frankreich in diesen Ländern einen ganz anderen Status hat: «Anders als in den ehemaligen Kolonien Frankreichs kann der französische Botschafter in Nigeria nicht so einfach um ein Treffen mit dem Präsidenten bitten.»

In Paris wird man sich daher wohl daran gewöhnen müssen, dass man künftig oft hintenanstehen muss in Afrika. Denn ein Weitermachen wie bisher ist für Frankreich in Afrika keine Option mehr.

Echo der Zeit, 16.01.2025, 18 Uhr

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