Seit vier Jahren sitzt Osman Kavala hinter Gittern – ohne Urteil und aufgrund einer wackligen Anklage. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan beschuldigt Kavala, er habe die Regierung stürzen wollen.
So soll Kavala am Putschversuch von 2016 beteiligt gewesen sein und die Gezi-Proteste finanziert haben, die sich 2013 gegen Erdogan gerichtet hatten. Nicht nur unabhängige Beobachter halten die Vorwürfe für haltlos und konstruiert.
Strassburger Entscheid ohne Folgen
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg hat bereits 2019 angeordnet, den Bürgerrechtsaktivisten freizulassen. Doch weigert sich Ankara standhaft, das Urteil umzusetzen. Am Freitag entschied nun ein Istanbuler Gericht, dass Kavala bis zur nächsten Anhörung im Januar eingesperrt bleibt.
Kavala nahm an der Gerichtsverhandlung nicht teil. Wegen der Vorverurteilung durch Präsident Erdogan habe er keine Chance auf ein faires Verfahren, teilte der Unternehmer in einer Erklärung mit. Türkische Richter haben den Ruf, in politischen Prozessen auf Zeichen aus dem Präsidentenpalast zu hören.
Drohender Ausschluss aus Europarat
Ankara riskiert nun, vom Europarat sanktioniert oder gar ausgeschlossen zu werden. Die Mitgliedstaaten sind nämlich verpflichtet, Urteile des Strassburger Gerichts zu beachten. Bereits nächste Woche könnte der Europarat ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten.
Ein Rauswurf aus dem Europarat wäre für die Türkei ohne Zweifel ein Prestigeverlust. Nicht auszuschliessen ist freilich, dass Erdogan doch noch einlenkt. Im Oktober drohte der türkische Autokrat nämlich damit, zehn westliche Botschafter auszuweisen, die Kavala unterstützt hatten. Im letzten Moment schwenkte Erdogan um.