Es ist der erste Besuch eines israelischen Staatspräsidenten in der Türkei seit 15 Jahren. Erdogan spricht von einer neuen Ära der türkisch-israelischen Beziehungen. Als «Ende der Sprachlosigkeit» bezeichnet der freie Journalist Thomas Seibert das Treffen. Die Staaten wollen sich annähern, hoffen wieder auf ein Miteinander statt ein Gegeneinander.
Geplant war der Besuch schon seit Längerem. Es habe in den vergangenen Wochen sehr viele Kontakte auf Ministerebene, Beraterebene und Spitzenebene gegeben, weiss der Journalist in Israel. «Der Ukraine-Krieg verlangt von diesem Besuch eine neue Dimension. Beide Staaten sind dabei, sich als Vermittler zwischen der Ukraine und Russland anzubieten.»
In den vergangenen Jahren hat sich die Türkei in der Region sehr isoliert, sie fuhren eine aggressive Aussenpolitik. Das hätten Erdogan und die türkische Regierung eingesehen, sagt Seibert. «Seit einiger Zeit versucht Erdogan, das zu ändern. Er streckt die Fühler in alle möglichen Richtungen aus.» Da sind beispielsweise die Vereinigten Arabischen Emirate, Armenien, Ägypten – und auch Israel.
Wirtschaft im Fokus
Dabei gehe es um die Wirtschaft, nicht nur um Politik und Partnerschaften. «Die türkische Wirtschaft durchlebt eine schwere Krise, braucht neue Investitionen und neue Geldgeber. Und Israel hat bisher mehr reagiert als agiert in dieser Bewegung.» Trotz allem Misstrauen gegenüber Erdogan sei Israel bereit, diesem neuen türkischen Kurs eine Chance zu geben.
Das ist für Erdogan wichtig. Denn Israel hat grosse Erdgasvorräte vor der Küste entdeckt. Die Türkei kauft ihr Gas bisher vorwiegend in Russland, was im Moment zu Turbulenzen führen kann. «Neue Gaslieferanten sind immer willkommen», sagt der Journalist in Israel dazu. Dazu komme die geografische Nähe.
Es gehe aber auch um den grösseren politischen Rahmen. «Eine andere wichtige Nation, mit der sich Erdogan in den letzten Jahren überworfen hat, sind die USA. Ein besseres Verhältnis der Türkei zu Israel würde auch helfen, die Beziehungen der Türkei zu den USA zu reparieren.»
Die geopolitischen Karten haben sich in den letzten Jahren und noch intensiver in den letzten Monaten sehr verändert. Angesichts dieser Veränderungen sieht Thomas Seibert den Besuch nur als einen ersten Schritt. «Ein wichtiger erster Schritt. Aber die Kontakte in den nächsten Wochen und Monaten müssen das Ganze mit Substanz füllen.»
Der Anfang wird heute gemacht.
Herzog sei ein Staatspräsident, der von seiner Funktion her eher zeremonielle Aufgaben hat. «Er kann den Ton setzen. Er kann allerdings nicht an einem Tag oder an einem zweitägigen Besuch alle Streitpunkte aus dem Weg räumen. Dafür gibt es zu viel Misstrauen. Dafür gibt es zu viele Baustellen zwischen den beiden Ländern. Aber der Anfang wird heute gemacht.»