Zum Inhalt springen
Video
Keine grossen Höhepunkte beim TV-Duell
Aus SRF News spezial vom 03.09.2017.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten.

TV-Duell in Deutschland Schulz kann gegen Merkel nicht punkten

  • Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nach Einschätzung der Zuschauer das TV-Duell gegen SPD-Herausforderer Martin Schulz gewonnen. Das zeigen Blitzumfragen von ARD und ZDF.
  • Schulz hatte versucht, Merkel bei zentralen Themen wie Flüchtlingen, Rente und der Türkei in Bedrängnis zu bringen.

Nach ARD-Angaben lag Merkel mit 55 zu 35 Prozent klar vorne. Im ZDF war es knapper: Hier kam die deutsche Kanzlerin auf 32 Prozent Zustimmung, Schulz auf 29 Prozent. 39 Prozent der Befragten waren unentschieden. Laut ARD war Merkel in ihren drei TV-Duellen als Kanzlerin noch nie so klar vorn.

Martin Schulz sagte nach dem Schlagabtausch, es sei ein «faires Duell» gewesen. Er sei bereit für ein zweites Duell, denn viele Zukunftsthemen seien zu kurz gekommen.

Das waren die wichtigsten Themen:

Flüchtlingspolitik: Der SPD-Vorsitzende zeigte sich im TV-Duell zunächst angriffslustig. Schulz warf der Kanzlerin schwere Fehler in der Flüchtlingskrise vor. Merkel habe sich im Herbst 2015 nicht mit den europäischen Partnern abgestimmt. Wenn sie sage, sie würde alles wieder so machen wie damals, könne er nur sagen: «Dazu würde ich nicht raten.» Eine europäische Lösung wäre weniger zulasten Deutschlands gegangen.

Merkel verteidigte in der live übertragenen Kontroverse ihre Entscheidung von damals, in Ungarn festsitzenden Migranten und Flüchtlingen den Weg nach Deutschland zu ebnen. «Wir haben damals eine sehr dramatische Situation gehabt.» Sie habe nicht anders handeln können. «Es musste entschieden werden.»

Es sei klar gewesen, dass Ungarns Regierungschef Viktor Orban sich nicht solidarisch zeigen würde. Sie habe im Übrigen ihren Kurs mit dem damaligen Aussenminister Frank-Walter Steinmeier und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (beide SPD) abgestimmt. Schulz fragte Merkel daraufhin, warum der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer Orban als Ehrengast zur CSU eingeladen habe. Die CDU-Chefin umging die Frage.

Soziale Gerechtigkeit: Schulz mahnte trotz der positiven Wirtschaftslage mehr soziale Gerechtigkeit an. «Ja, klar ist Deutschland ein wohlhabendes Land, aber nicht alle Menschen in unserem Land sind wohlhabend.» Er nannte als Beispiele kostenlose Kitas und Reformen, um sinkende Renten zu verhindern.

Rentenalter: Merkel sicherte zu, dass es mit ihr keine Rente mit 70 geben werde. Unter anderem hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein längeres Renteneintrittsalter ins Gespräch gebracht. Schulz zweifelte an, dass diese Zusage Bestand von Merkel haben werde.

Dieselskandal: Merkel warf der Autobranche in Zusammenhang mit zu hohen Abgaswerten von Diesel-Fahrzeugen «Vertrauensbruch» vor. «Ich bin stocksauer.» Die Industrie müsse den Schaden wieder gut machen. Die 800’000 Arbeitsplätze müssten aber sicher bleiben. Der Diesel werde weiter gebraucht, um die Klimaziele zu erfüllen, sagte die Kanzlerin. Schulz sagte, Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge, von denen unter anderem Handwerker getroffen würden, müssten vermieden werden.

Streit in der Türkei: Im Konflikt mit der Türkei sprach sich Schulz für einen Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara aus. «Wenn ich Kanzler werde, werde ich (...) die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der Europäischen Union abbrechen.»

Merkel verwies darauf, dass der Abbruch der Beitrittsverhandlungen einstimmig von allen EU-Mitgliedstaaten beschlossen werden müsse. Am Freitag war bekannt geworden, dass zwei Deutsche im Urlaubsort Antalya festgenommen worden waren. Ihnen werden Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen, die die türkische Regierung für den gescheiterten Putschversuch vor gut einem Jahr verantwortlich macht.

Einschätzung von SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck

Nach dem lustlosen TV-Duell gibt es kaum mehr einen Zweifel: Angela Merkel wird die mächtigste Frau Europas bleiben. Martin Schulz versuchte zwar immer wieder, Merkels EU-Politik anzugreifen. Doch gelungen ist ihm das nicht, es fehlten die glaubwürdigen Gegenpositionen. Er forderte, die EU solle die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abbrechen. Ausgerechnet Schulz, der sich jahrelang für den Türkei-Beitritt eingesetzt hatte. Eine Steilvorlage für Merkel: «Ich habe den Beitritt der Türkei nie gesehen, auch nicht, als Sozialdemokraten noch anderer Meinung waren.»
Auch in Sachen Migration und Flüchtlinge: Schulz‘ Kritik verhallte, weil er als Kanzler wohl eine ähnliche Politik verfolgen würde wie die Amtsinhaberin. Vergleichbar ist die Ausgangslage beim vielleicht kniffligsten EU-Problem, bei der Zukunft des Euro. Doch darauf kam man im TV-Duell gar nicht zu sprechen. Die Pläne des französischen Präsidenten Macron für eine Stärkung des Euro blieben unkommentiert.

In Brüssel hoffen viele, dass Deutschland weiter von einer Grossen Koalition regiert wird. Eine solche Regierung wäre offen für eine behutsame Stärkung der EU à la Macron. Doch Schulz‘ Auftritt war dermassen schwach, dass eine andere Partei profitieren könnte: die FDP. Sie könnte als drittstärkste Kraft vielleicht sogar die SPD als Koalitionspartner von CDU/CSU ablösen.

Dann hätte EU-Fan Schulz nicht nur seiner Partei, sondern auch seinen EU-Freunden einen Bärendienst erwiesen. Denn die FDP gibt sich deutlich EU-skeptischer als die SPD, sie wäre in Brüssel ein unangenehmer Partner.

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel