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TV-Star vertuscht Missbrauch Japans dröhnendes Schweigen über sexuelle Gewalt

Der Fall einer Vergewaltigung zeigt: Das hochmoderne Japan ist bei der Gleichberechtigung ein Entwicklungsland.

Ein Missbrauchsskandal erschüttert Japan – allerdings erst mit Verzögerung: Denn die Vergewaltigung einer jungen Frau durch den Starmoderator eines der grössten TV-Sender des Landes wurde zunächst unter den Teppich gekehrt.

Masahiro Nakai führte das Fernsehpublikum auf Fuji TV durch Talks und Showabende. An einer Dinner-Party vor zwei Jahren soll er eine 25-jährige Nachrichtenmoderatorin auf äusserst brutale Weise vergewaltigt haben.

Digitale Nachrichtentafel in Tokio, auf der üben den Fall berichtet wird.
Legende: Bekannt wurde Nakai als Mitglied der populären Boygroup SMAP. Als Schuldeingeständnis werten japanische Medien, dass Nakai der Frau umgerechnet mehr als eine halbe Million Franken Schweigegeld gezahlt hat. Imago/Kyodo News

Strafrechtliche Konsequenzen hatte der Übergriff nicht: Fuji TV liess Nakai weiterhin Shows moderieren, während sein Opfer von sich aus kündigte.

Unternehmensführung tritt zurück

Öffentlich wurde der Fall erst im Dezember, als ein Boulevardmagazin darüber berichtete. Demnach soll das Abendessen, bei dem es zur Vergewaltigung kam, von einem Mitarbeiter von Fuji TV organisiert worden sein. Schliesslich verlangte ein amerikanischer Grossaktionär des Senders eine externe Untersuchung des Falls.

Es mangelte uns an Gespür für Menschenrechte und gute Unternehmensführung.
Autor: Koichi Minato Präsident von Fuji TV

«Erst dadurch gelangte dieser Skandal vom ‹Vermischten› auf die Wirtschaftsseiten der Zeitungen», berichtet der freie Journalist Martin Fritz aus Tokio. Prompt zogen sich 75 Werbepartner von Fuji TV zurück, darunter auch Toyota. Die Werbeeinnahmen brachen komplett ein, zwei Topmanager des Senders erklärten ihren Rücktritt.

An einer Medienkonferenz erklärte die Führung des Unternehmens ihren Rücktritt.
Legende: Ungeachtet der Vorwürfe liess Fuji TV Nakai für eineinhalb Jahre weiter auftreten. An einer Medienkonferenz erklärte die Führung des Unternehmens ihren Rücktritt. Imago/Kyodo News

«Wir bedauern zutiefst, dass wir diesen Fall unzureichend aufgearbeitet haben. Es mangelte uns an Gespür für Menschenrechte und gute Unternehmensführung», sagte der Präsident des TV-Senders an einer zehnstündigen (!) Medienkonferenz, die von wütenden Zwischenrufen von Reportern unterbrochen wurde. Starmoderator Nakai erklärte seine Karriere für beendet und tauchte ab.

Pädophiler Politiker kommt mit Bewährung davon

Box aufklappen Box zuklappen

Jüngst sorgte auch der Fall eines ehemaligen Parlamentsabgeordneten für Empörung, der ein Kind in einer Tokioter Ausgehmeile für Sex bezahlte und mit einer Bewährungsstrafe davonkam. Die NZZ berichtete ausführlich darüber.

Laut dem Autor des Buches «Tokyo Vice», Jake Adelstein, widerspiegle das Urteil, dass «Männer von Rang in Japan nur dann eine Haftstrafe verbüssen, wenn ihre Schuld unbestreitbar ist und ihre Tat die gesellschaftliche Ordnung massiv stört.» Oft reichten Entschuldigungen und Entschädigungszahlungen aus, um in den Augen der Justiz Gerechtigkeit zu schaffen.  

Bei Fuji TV war es offenbar gängige Praxis, dass der Sender Entertainer und junge Journalistinnen zu Partys einlud, um Männer bei Laune zu halten. Dies sei auch in anderen japanischen Unternehmen verbreitet, so Japan-Kenner Fritz: «Die Frauen sollen den Männern Bier und Reiswein einschenken und immer schön freundlich sein.»

Männer in Anzügen in Ausgehmeiler in Tokio.
Legende: Viele Männer würden die «Dienstbarkeit» der Frauen ausnutzen und sie mit anzüglichen Bemerkungen eindecken und betatschen, sagt Fritz: «In Kneipen habe ich solche Szenen selbst oft erlebt.» Getty Images/Bloomberg/Kiyoshi Ota (Symbolbild)

In Japan hängen viele Männer noch immer traditionellen Rollenbildern an. Im Geschäftsleben würden Frauen oft die Rolle der «Office Ladys» übernehmen, so Fritz: «Sie wurden lange als Blumen der Büros betrachtet, die nur blieben, bis sie heirateten. Diese Mentalität ist noch immer stark verbreitet.»

Nakais Opfer bricht sein Schweigen

Nagisa Watanabe, das Opfer von Starmoderator Nakai wurde, erhebt nun ihre Stimme. Auf Instagram postete die junge Frau, die an einer der besten Universitäten Japans studiert hat, Bilder vom Krankenbett. Offenbar musste sie sich nach der brutalen Vergewaltigung einer Operation unterziehen.

Vor wenigen Tagen veröffentlichte sie ein Buch, das die Geschehnisse aufrollt. «Sie weigert sich, die typische Opferrolle einzunehmen und zu schweigen», sagt Fritz. «So etwas gab es früher in Japan nicht.» Ausdruck davon, dass sich die japanischen Frauen aus den Fesseln des Patriarchats befreien wollen, ist auch der Dokumentarfilm «Black Box Diaries»:

Darin geht es um eine Journalistin, die von ihrem Chef mit K.-o.-Tropfen betäubt und dann in ein Hotelzimmer getragen und vergewaltigt wurde. Der Täter kam mit einer Schmerzensgeldzahlung davon. Der Film ist für den Oscar als bester Dokumentarfilm nominiert. In Japan wurde er nicht in den Kinos gezeigt.

SRF 4 News, 14.2.2025; 08:57 Uhr ; 

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