Russlands Präsident respektiert die Grenzen der Ukraine nicht mehr. Das schürt global die Furcht um Frieden und Stabilität; vor allem jedoch Staaten, die eine lange Grenze zur Ukraine haben oder eine leidvolle Geschichte mit Russland teilen, fürchten sich. Neben den drei baltischen Ländern sei die Sorge in Polen und Rumänien am grössten, weiss Roman Fillinger, SRF-Osteuropakorrespondent.
Historisch bedingte Sorgen in Polen
Ein Teil Polens gehörte über 120 Jahre lang zum russischen Zarenreich. Später, während des Kommunismus, war das Land jahrzehntelang unter der Knute Moskaus. «Das hat in Polen eine grosse Abneigung gegen Russland und auch eine grosse Angst vor Russland zurückgelassen», sagt Roman Fillinger.
Für das polnische Sicherheitsgefühl sei es entscheidend, dass es zwischen Polen und Russland eine Pufferzone gibt: Weissrussland und die Ukraine. Nun drohen diese Puffer zu zerbröseln: «Weissrussland ist mehr denn je zu einem russischen Vasallenstaat geworden. Und die Existenzberechtigung der Ukraine streitet Putin ab.»
Rumäniens Angst um russische Meeresdominanz
In Rumänien hingegen habe man vor allem Angst, dass Russland das ganze Schwarze Meer dominieren könnte, erklärt der Osteuropakorrespondent. «Schon vor fast 20 Jahren warnte der damalige rumänische Präsident, das Schwarze Meer dürfe kein russischer See werden.»
Und Russland ist Rumänien tatsächlich sehr nahe gerückt. «Von der rumänischen Küste bis zur Krim, die von Russland annektiert wurde, sind es nur gut 200 Kilometer.»
Ungarn stellt Russland nicht über EU und Nato
Ungarns Premier Viktor Orbán ist Russlands Präsident Wladimir Putin freundschaftlich verbunden. Dennoch sagt er klar, dass Ungarn Teil des gemeinsamen EU-Standpunktes sei. Er trägt also auch die Sanktionen gegen Russland mit. Das zeigt laut Fillinger, dass Ungarns Regierungschef – bei aller Sympathie für Russlands Präsidenten – den Platz seines Landes in der Europäischen Union und in der Nato sieht.
Orbán suche zwar immer wieder die Nähe zu Putin. Erst gerade Anfang Monat habe er ihn in Moskau besucht. Dabei gehe es ihm jedoch weniger um Freundschaft als um handfeste Vorteile für Russland. «Es geht um günstiges russisches Gas und um den Bau von zwei neuen Atomreaktoren in Ungarn.»
Nach dieser russischen Aggression gegen die Ukraine halte sich Orbán zwar zurück mit verbaler Kritik an Putin. «Aber die Sanktionen und Taten trägt Ungarn mit. Denn der Druck aus der EU und aus Washington auf Ungarn wäre sonst zu gross geworden. Da sind Orbán die eigenen Interessen viel wichtiger, als Sympathien für Putin.»
Froh um Nato-Zugehörigkeit
Die Ukraine-Krise führt allen Staaten in Osteuropa vor Augen, was eine Nato-Zugehörigkeit bedeutet. Und die Nato markiert Präsenz in dieser Region. Das beruhige Polen und Rumänien ein Stück weit, so Roman Fillinger.
Die beiden Länder hätten schon lange gerne mehr Nato-Truppen bei sich gehabt, weil sie sich vor Russland fürchteten. «Dass die USA und andere Nato-Länder jetzt mehrere Tausend Soldaten nach Polen und eine 1000 Mann starke Kampftruppe nach Rumänien geschickt haben, kommt daher in beiden Ländern gut an.»
Die Nato-Länder können zumindest hoffen, dass ihnen die anderen Mitglieder im Falle eines Angriffs militärisch zur Seite stehen würden.
Die Ukraine hingegen ist als Nichtmitglied weitgehend auf sich selbst gestellt. «Die Nato-Länder hier können zumindest hoffen, dass die anderen Mitglieder sich an den Nordatlantikvertrag halten und ihnen im Falle eines Angriffs militärisch zur Seite stehen würden», so Roman Fillinger in Warschau.