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Drei Jahre Krieg Die Russen kämpfen für Putin, nicht für sich

«Ich hoffe sehr, dass der Krieg aufhört», sagt eine Moskauerin am Vorabend des dritten Jahrestags von Russlands Grossangriff auf die Ukraine. «Insgeheim schwärme ich ein bisschen für Trump.»

Sie ist nicht die Einzige. Praktisch seit Beginn des Kriegs zeigen Umfragen, dass sich eine Mehrheit der russischen Bevölkerung ein Ende der Kämpfe wünscht. Die Unsicherheit, die Sanktionen und die Angst, selbst an die Front geschickt zu werden: Die allerwenigsten hatten sich das herbeigesehnt.

Doch für die meisten soll der Krieg nicht einfach so aufhören, sondern mit einem russischen Sieg – eine Niederlage wäre eine Schmach und könnte noch mehr Unannehmlichkeiten bringen. Trump macht nun also Hoffnung, indem er Wladimir Putin in zahlreichen Punkten entgegenkommt. Nach drei Jahren Krieg ist der Kreml so nahe dran wie nie zuvor, die Ziele seiner «Spezialoperation» zu verwirklichen.

Putins Triumph

Putin ist ein Ideologe, der Russlands kleinere Nachbarn und vor allem die Ukraine als Moskaus Eigentum betrachtet. Mit Trumps Beihilfe sieht er sich in greifbarer Nähe eines historischen Triumphs. Als solchen würde er einen Sieg auch seinem Volk verkaufen, und zweifellos würden diesen viele ausgelassen feiern.

Doch langfristig haben einfache Russinnen und Russen nichts von diesem Krieg. Fast 100'000 ihrer Landsleute wurden getötet – und das sind nur die nachgewiesenen Zahlen. Russland verliert Schätzungen zufolge etwa 50 Soldaten pro Quadratkilometer, den es in der Ukraine einnimmt.

In russischen Städten sind immer mehr Männer zu sehen, denen ein Bein oder ein Arm fehlt, oder deren Gesichter in Bandagen gewickelt sind. In alten Ferienlagern sind Geflüchtete untergebracht, deren Wohnorte an der Grenze zur Ukraine zum Kampfgebiet geworden sind. Der Krieg hat das Leben für einfache Russinnen und Russen nicht sicherer gemacht, wie Putin argumentiert – zumal vorher niemand das grösste Land der Erde angreifen wollte. 

Lukrativer Tod

Russlands Propaganda betont gerne, die Wirtschaft floriere trotz Sanktionen. Einfache Russinnen und Russen spüren wenig davon. Die Inflation frisst ihre Löhne; der stete Wertverlust des Rubels ihr Gespartes. 

Angetrieben wird die Wirtschaft dadurch, dass fast ein Drittel des Budgets in die Verteidigung fliesst: Massive Investitionen in Panzer und Raketen, die kurz nach Fertigstellung an der Front vernichtet werden. Bei der maroden Infrastruktur und dem verfallenden Gesundheitssystem wird gespart.

Die Armut des russischen Volks ist für Putin ein Segen: Er rekrutiert Soldaten inzwischen vor allem mithilfe finanzieller Anreize. In einigen Regionen kann ein Mann durch die Unterzeichnung eines Armeevertrags, einem Kriegsdienst von fünf Monaten und der Entschädigung, wenn er getötet wird, für seine Familie mehr verdienen, als wenn er bis zur Pensionierung weitergearbeitet hätte. Der Kreml hat für einfache Russinnen und Russen eine Wirtschaft geschaffen, in der sich der Tod mehr lohnt als das Leben.

Wachsende Ungleichheit

Während die Armen ärmer werden, werden die Reichen reicher: Kremltreue Oligarchen verdienen Milliarden an den Investitionen in die Rüstung oder an der Übernahme von Firmen, die westliche Unternehmer aufgegeben haben. Die wohlhabendsten Russen verdienen heute mehr als vor dem Krieg.

Nach drei Jahren hoffen die einfachen Russinnen und Russen auf den baldigen Sieg. Damit das Leben weitergehen kann, möglichst wie zuvor – unter einer Machtelite, die der Selbstbereicherung und imperialen Träumen nachgeht. Die einfachen Russen haben nichts davon.

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

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SRF 4 News, 24.2.2025, 8:30 Uhr

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