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Krieg in der Ukraine Was es braucht, damit die Waffen schweigen

In Saudi-Arabien wird ein weiteres Mal darüber gesprochen, wie ein Waffenstillstand im Ukraine-Krieg erreicht werden könnte. Alexander Hug ist Experte für friedensfördernde Massnahmen in Konflikten und war jahrelang in der Ukraine aktiv. Der Schweizer Jurist erklärt, was es für einen Waffenstillstand braucht – und wie er abgesichert werden könnte.

Alexander Hug

Ehem. stell. Leiter der OSZE-Missionschef in der Ukraine

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Von März 2014 bis Ende 2018 war Hug stellvertretender Leiter der Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die in der Ukraine den in Minsk ausgehandelten Waffenstillstand überwachte. Derzeit ist er Chef der Mission der Internationalen Kommission für vermisste Personen im Irak.

SRF News: Worauf muss man beim Aushandeln eines Waffenstillstands achten?

Alexander Hug: Es braucht den klaren politischen Willen, sich auf die Bedingungen zu einigen. Und das auf beiden Seiten. Ein Waffenstillstand kann nicht erzwungen werden. Es braucht auch klare Abmachungen über die Überwachung und Durchsetzung einer Waffenruhe. Mechanismen auf operationeller wie auf politischer Ebene sollen dafür sorgen, dass Verletzungen einer Waffenruhe klar nachvollzogen werden können.

Mohammed bin Salman
Legende: Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski trifft bereits am Montag den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (im Bild). Offiziell beginnen die Gespräche am Dienstag. Keystone/AP/Evelyn Hockstein

Sehen Sie den politischen Willen für einen Waffenstillstand bei Russland?

Der ist derzeit schwierig auszumachen. Nicht zuletzt wegen fehlenden Vertrauens und weil beide Seiten Maximalforderungen stellen. Eine Waffenruhe würde ich aber nicht ausschliessen. Nicht zuletzt aufgrund des globalen Drucks, der derzeit herrscht. Dieser darf aber nicht dazu führen, dass der politische Wille untergraben wird und eine vereinfachte, abgekürzte Version eines Waffenstillstands kreiert wird, die nur wenige Tage oder gar nicht hält.

Was meinen Sie damit genau?

Ich meine damit eine Vereinbarung, die schlecht definiert ist. Es müssen viele Bedingungen einer Waffenruhe genau ausgehandelt werden. Zum Beispiel: Entlang welcher Linie soll eine Waffenruhe etabliert werden? Auf welche Gebiete müssen sich die Konfliktparteien zurückziehen? Wie werden Verletzungen der Waffenruhe nachvollzogen, wer arbeitet diese auf? Wenn nur vereinbart wird, dass eine Waffenruhe ab einem gewissen Zeitpunkt gelten soll, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gross, dass sie verletzt wird.

Wie müsste eine Waffenruhe abgesichert sein?

Dafür braucht es eine internationale Überwachung und klare Sanktionsmechanismen bei Verstössen. Diese können von Disziplinarverfahren auf den entsprechenden Seiten bis hin zu politischen oder wirtschaftlichen Sanktionen reichen. Dazu müssen Mechanismen eingesetzt werden, die es den Seiten erschweren, sich gegenseitig zu bekämpfen.

Hug in der Ostukraine.
Legende: Der Luzerner war viereinhalb Jahre stellvertretender Leiter der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine. Sein Motto: Lösungen suchen, ohne mit dem Finger zu zeigen. Keystone/AP/Evgeniy Maloletka

Zum Beispiel, indem die Truppen an der Frontlinie entflechtet werden und eine Distanz zwischen den kämpfenden Formationen geschaffen wird. Hinzu kommt der Abzug von bestimmten Waffensystemen oder ihre Nichtbenutzung in bestimmten Gebieten. Solche Vereinbarungen tragen dazu bei, dass es eine Waffenruhe besser abgesichert werden kann – auch wenn sie Verletzungen nicht ausschliessen.

Sie haben vor zehn Jahren nach den sogenannten Minsker-Abkommen den damaligen Waffenstillstand überwacht. Dabei gab es mitunter mehr als 1000 Waffenstillstandsverletzungen pro Tag. Weshalb konnte die Waffenruhe damals nicht durchgesetzt werden?

In den Minsker Vereinbarungen wurde die Waffenruhe nicht genau beschrieben, und es wurden auch keine klaren Sanktionsmechanismen festgesetzt. Die OSZE-Beobachtermission war auch nicht Bestandteil der Abkommen. Es war ein Durcheinander verschiedener Mechanismen, die nicht aufeinander abgestimmt waren. Das grösste Problem war, dass Verletzungen des Abkommens keine Konsequenzen hatten. Das war eine offene Einladung, noch mehr der Verletzungen der Waffenruhe zu begehen.

Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.

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Echo der Zeit, 10.03.2025, 18 Uhr ; 

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