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US-Raketen auf Russland Keine offiziellen Statements des Weissen Hauses zur Ukraine

Die Reichweitenbeschränkung beim Raketeneinsatz wurde von Biden offenbar aufgehoben. Doch wie immer: Das kommt spät, und es gibt wohl auch nicht genügend US-Raketen, um Entscheidendes zu bewirken.

Darum geht es: Medienberichten zufolge hat US-Präsident Joe Biden der Ukraine erlaubt, künftig US-Raketen mit grösserer Reichweite auch gegen Ziele in Russland einzusetzen. US-Medien stützen sich bei den Meldungen auf US-Regierungskreise. Demnach ist der Schritt Bidens eine Reaktion auf die Stationierung tausender nordkoreanischer Soldaten in der russischen Region Kursk. Aus dem Weissen Haus gab es dazu offiziell bisher keine Auskunft. Aber es gibt andere Reaktionen in den USA.

Schweigen von Trump: Nichts zu der Sache gesagt hat der gewählte US-Präsident Donald Trump. Ebenso war in den USA nichts zu vernehmen von jenen, die in der künftigen Trump-Regierung für Aussen- oder Sicherheitspolitik zuständig sein sollen. Reaktionen gibt es von ganz rechts aussen: So sagte die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene, Biden sei bald nicht mehr im Amt, versuche aber noch, rasch den dritten Weltkrieg zu starten. Ähnlich tönte es von Trumps Sohn Donald Jr. der bei seinem Vater als sehr einflussreich gilt.

Wie so oft: Zu spät und wohl zu spärlich

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Raketenstart am Meer mit Rauchwolke.
Legende: ATACMS haben eine Reichweite von bis zu 300 km (Bild: Abschuss einer Rakete durch die südkoreanische Armee). Keystone

Die Kehrtwende Bidens, nach langer Verweigerung nun doch Angriffe mit US-Waffen auf russischem Territorium zuzulassen, sei typisch für den Verlauf des Krieges, sagt Fredy Gsteiger, Korrespondent für internationale Sicherheitsfragen bei SRF. «Auch bei anderen Waffengattungen kam zuerst ein Nein, dann ein Zaudern, Zugeständnisse und schliesslich wurden die Waffen geliefert.» Der Westen wollte mit dem Zögern eine Eskalation des Krieges vermeiden. Doch: «Für die Ukraine hatte dies dramatische Folgen.» Denn viel westliches Kriegsmaterial im Abwehrkampf gegen die Russen sei zu spät und zu spärlich in der Menge geliefert worden.

Zwar sei völlig unklar, wie viele der weitreichenden ATACMS-Raketen die Ukraine noch habe, oder von den USA erhalten werde, so Gsteiger. Doch er ist sich sicher, dass ihre Anzahl in keinem Fall reichen werde, damit die Ukrainer alle Militärziele auf russischem Boden innerhalb der Reichweite der Raketen werden beschiessen können. Ausserdem hätten sich die Russen wahrscheinlich insofern auf die neue Tatsache vorbereitet, als dass sie Logistikzentren und wertvolle Waffen bereits weiter weg von der Grenze verlegt hätten. Mit den ATACMS könnten allenfalls Truppenkonzentrationen in der Region Kursk angegriffen werden, so Gsteiger.

Support für Biden: Unterstützung erhielt Präsident Biden dagegen von Roger Wicker, dem ranghöchsten republikanischen Senator in jener Kommission, die für das Verteidigungsministerium zuständig ist. Er sagte, es sei ermutigend, dass die Ukraine nun die weitreichenden ATACMS einsetzen dürfe – das entschuldige aber nicht, dass die Biden-Regierung die Ukraine stets zu zögerlich, zu langsam mit Waffen unterstützt habe. «Das zeigt, wie gespalten die Republikanische Partei ist, wenn es um die Ukraine geht», sagt SRF-USA-Korrespondent Andrea Christen.

Darum gerade jetzt: Bei der Entscheidung Bidens dürfte eine wichtige Rolle gespielt haben, dass sich Zehntausende russische Truppen sowie offenbar auch Tausende nordkoreanische Soldaten bereit machen, das von der Ukraine besetzte russische Gebiet Kursk zurückzuerobern. Vermutlich will es Biden der Ukraine aber auch besser ermöglichen, sich gegen die massiven Angriffe zu wehren, die Russland momentan gegen die ukrainische Energie-Infrastruktur ausführt.

Bidens Hinterlassenschaft: Biden will zwei Monate vor Ablauf seiner Präsidentschaft offenbar noch Tatsachen schaffen. So sagte sein Aussenminister Antony Blinken kürzlich, jeder Dollar, der für die Unterstützung der Ukraine noch zur Verfügung stehe, werde in die Ukraine geschickt, damit sich diese verteidigen könne – oder um sie in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen. Denn mit Donald Trump, der am 20. Januar das Präsidentenamt übernimmt, wird der Wind drehen. Trump könnte auf eine Verhandlungslösung drängen, bei der die Ukraine Territorium an Russland abgeben müsste.

Echo der Zeit, 18.11.2024, 18:00 Uhr ; 

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