Während Russland zum 80. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland einseitig eine dreitägige Waffenruhe vom 8. bis 10. Mai verkündet, fordert die Ukraine einen Waffenstillstand. Davon will aber der Kreml nichts wissen. Nebst den täglichen Meldungen erreichen uns oft Fragen aus der SRF-Community zum Krieg in der Ukraine.
Judith Huber beantwortet hier die drängendsten Fragen zu den aktuellen Entwicklungen.
Wie realistisch ist eine Verhandlungslösung?
Wenig realistisch. US-Präsident Trump will offensichtlich keine Lösung, sondern sucht einen (Schein-)Erfolg, um wieder mit Russland Geschäfte machen zu können. Er macht sich russische Forderungen zu eigen und will diese der Ukraine aufzwingen, statt Druck auf Moskau auszuüben. Der Krieg wäre beendet, würde Russland sich zurückziehen. Die Ukraine kämpft um ihre Existenz und weiss: Ein schlechtes Abkommen, das die Ukraine schwächt und keine Sicherheitsgarantien gibt, führt in den Untergang. Deshalb ist es aus ukrainischer Sicht besser, weiterzukämpfen.
Warum tritt die Ukraine die Halbinsel Krim nicht ab?
Es wäre dadurch keinesfalls garantiert, dass Russland den Krieg beendet – und auch nicht, dass es nach einer Pause nicht wieder angreift. Ausserdem würde dies die ukrainische Verfassung verletzen – diese kann während des Kriegs nicht geändert werden. Die Ukraine akzeptiert schon länger den Status quo: dass die Krim von Russland besetzt ist. Einen Teil des Staatsgebiets offiziell aufzugeben, wäre die Anerkennung des russischen Landraubs und würde jegliche Hoffnung auf Gerechtigkeit zerstören, die die verschleppten, gefolterten und vertriebenen Bewohner der Krim haben.
Trump an die Adresse von Selenski: «Wenn er die Krim will, warum haben sie dann nicht schon vor elf Jahren dafür gekämpft, als sie ohne einen einzigen Schuss an Russland übergeben wurde?»
Die Ukraine wurde sowohl von den USA unter Obama als auch von den Europäern im Stich gelassen: Sie wollten der Ukraine, die auf ihren Druck hin abgerüstet hatte, keine Waffen liefern, aus Rücksicht auf Moskau. Deshalb setzte die Ukraine im Jahr 2014 auf Verhandlungen. Diese führten zu zahlreichen Waffenstillstands-Vereinbarungen, die Moskau allesamt brach. Bis es dann 2022 den Grossangriff startete.
Warum lässt der Westen die Ukraine in der Kriegsführung allein?
Der Westen unterstützt die Ukraine substanziell mit Waffen und Geld. Truppen zu schicken, ist den meisten Ländern aber zu riskant und wäre im Land selbst kaum mehrheitsfähig. Das gilt selbst für Polen, das die Bedrohung aus Moskau versteht. Die Bedrohung gilt aber auch für den eigenen Staat, und deshalb ist man zurzeit sehr mit der Stärkung der eigenen militärischen Kapazitäten beschäftigt. Ausserdem will man nicht Kriegspartei werden und ist ja auch noch in die Struktur der Nato eingebunden.
Was war der Auslöser des Ukraine-Kriegs?
Putin will Russland wieder zur Grossmacht machen; ohne die Kontrolle der Ukraine geht das nicht. Bis zur Maidan-Revolution im Winter 2013/2014 befand sich die Ukraine im Einflussbereich Russlands. Der Kreml hatte dort russlandfreundliche Politiker und schwächte das Land durch strategische Korruption. Doch nach 2014 schwand der russische Einfluss, die Ukraine entwickelte sich mehr und mehr zu einem modernen westlichen Staat. Diese Unabhängigkeit will der Kreml zerstören und das Land wieder kontrollieren.