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Umstrittener U-Boot-Deal «Die USA spannen Frankreich den strategischen Partner aus»

Nach dem U-Boot-Deal zwischen Australien und den USA sowie Grossbritannien zieht Frankreich seine Botschafter ab. Zu den Hintergründen äussert sich Korrespondent Daniel Voll.

Daniel Voll

Frankreich- und Maghreb-Korrespondent

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Daniel Voll ist seit 2018 Frankreich-Korrespondent von Radio SRF mit Sitz in Paris. Der Maghreb gehört ebenfalls zu seinem Berichtsgebiet. Zuvor war er unter anderem als EU-Korrespondent in Brüssel und als Auslandredaktor für SRF tätig.

SRF News: Geht es beim Abzug der Botschafter allein um den verpassten U-Boot-Deal oder steckt da mehr dahinter?

Daniel Voll: Nein, es geht natürlich nicht nur ums Geschäft, auch wenn es der französischen Waffenindustrie durchaus wehtun wird. Die USA haben Frankreich vor allem einen strategischen Partner ausgespannt, in einer Region, wo Frankreich mit den Überseegebieten Neukaledonien und Tahiti strategische Interessen hat. Auch wurde Frankreich keine Mitarbeit angeboten und das hat dann letztlich diese starken französischen Reaktionen ausgelöst. Weit mehr als der diplomatische Fehltritt der Regierung von Australien und den USA, die Frankreich erst ganz kurz vor Bekanntgabe des Deals informiert haben.

Die Frage ist tatsächlich auch wie zeitgemäss die Nato und die enge Kooperation mit den USA noch ist.
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Frankreich fühlt sich also übergangen. Ende 2019 sprach Präsident Emmanuel Macron in einem Interview vom «Hirntod der Nato». Das löste grossen Wirbel aus. Er stellte sowohl das westliche Militärbündnis als auch die Partnerschaft zu den USA unverblümt infrage. Ist das französische Verhalten jetzt auch vor diesem Hintergrund zu verstehen?

Die Frage ist tatsächlich auch wie zeitgemäss die Nato und die enge Kooperation mit den USA noch ist. Man weiss in Europa, man weiss vor allem in Frankreich, dass sich die USA immer stärker auf den Pazifik konzentrieren. Deshalb werden auch innerhalb der EU nun Kräfte Auftrieb erhalten, die sagen, Europa müsse selbstständiger werden. Frankreich ist einer diese lauten Stimmen, man solle sich von der Nato emanzipieren. Verstärkt sind auch die Zweifel an der Verlässlichkeit der USA als Partner – zum Beispiel nach dem überstürzten Abzug aus Afghanistan.

Mit welcher Begründung möchte man in Zukunft zum Beispiel Iran atombetriebene U-Boote verbieten?
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Bis jetzt haben nur Atommächte atombetriebene U-Boote. Nun also auch Australien. Was hat das für Konsequenzen?  

Es kommt eine weitere Schwierigkeit mit internationalen Konsequenzen dazu. Die USA werden Australien mit atombetriebenen U-Booten beliefern. Bis jetzt haben nur Atommächte solche U-Boote. Denn sie werden mit angereichertem Uran betrieben. Das auch zum Bau einer Atombombe benutzt werden könnte. Das ist im Atomwaffen-Sperrvertrag zwar verboten, aber genau atombetriebene U-Boote sind von der Kontrolle durch die Internationale Atombehörde (IAEA) ausgenommen.

Dies dürfte sehr bald zu reden geben, denn China hat das Thema bei der IAEA in Wien bereits angemeldet. Eine Frage ist dann, wie sich Frankreich in dieser Sache positioniert. Denn der Fall könnte durchaus aussenpolitische Implikationen haben. Mit welcher Begründung möchte man in Zukunft zum Beispiel Iran atombetriebene U-Boote verbieten?

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

«USA nehmen Verärgerung kühl in Kauf»

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Matthias Kündig, USA-Korrespondent:

In den USA sorgt die wütende diplomatische Reaktion Frankreichs medial bloss für hochgezogene Augenbrauen: Es wird zwar anerkannt, dass die Art und Weise, wie kurzfristig Frankreich informiert wurde, unschön war. Aber es wird auch betont, dass es Australien war, das auf die USA zuging und Interesse an Atom-U-Booten gezeigt habe.

Der Fall ist Ausdruck der Neuausrichtung der US-Aussenpolitik, die bereits vor zwölf Jahren von der Obama-Administration eingeleitet wurde: nämlich eine Fokussierung auf Asien, im Speziellen auf China und dessen Machtansprüche. Nun zeigt sich, dass man es zugunsten von strategischen Vorteilen im asiatischen Raum relativ kühl in Kauf nimmt, Frankreich, dem ältesten US-Verbündeten, vor den Kopf zu stossen.

Der diplomatische Wirbel überdeckt in den USA derzeit aber auch einen weit gewichtigeren Punkt des Drei-Länderpaktes – nämlich, dass die USA bereit sind, heikle Atom-Technologie herauszugeben. Derzeit weisen bloss Fachleute darauf hin, dass die USA erst einmal in ihrer Geschichte streng geheimes nukleares Know-how an ein anderes Land herausgegeben haben, nämlich 1958 an Grossbritannien.

SRF 4, Echo der Zeit, 18.09.2021; 18:00 Uhr ; 

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