Für die chinesische Führung ist er schon lange ein rotes Tuch: Jimmy Lai. Er ist Gründer der prodemokratischen Hongkonger Zeitung «Apple Daily». Das Blatt wurde 2021 zwangsweise eingestellt, nachdem es wegen angeblicher Verstösse gegen das Sicherheitsgesetz ins Visier der Behörden geraten war.
Das Sicherheitsgesetz, das erst 2020 als Reaktion auf grosse Demonstrationen für mehr Demokratie in Kraft trat, richtet sich gegen die prodemokratische Opposition und gegen Aktivitäten, die Peking als umstürzlerisch, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch ansieht. Zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten wurden seit dem Ende der Proteste bereits verurteilt oder sind ins Ausland geflohen.
Lai wurde bereits zu zwei Haftstrafen verurteilt und sitzt seit drei Jahren im Gefängnis. Sollte Lai, wie erwartet, auch in dem nun beginnenden Prozess schuldig gesprochen werden, droht ihm im schlimmsten Fall eine lebenslange Haftstrafe.
Kurz vor Beginn des Prozesses in der früheren britischen Kronkolonie forderte die Regierung in London die sofortige Freilassung des Verlegers. Die politisch motivierte Strafverfolgung Lais, der auch einen britischen Pass hat, müsse umgehend eingestellt werden, sagte Aussenminister David Cameron einer Mitteilung vom späten Sonntagabend zufolge.
Verhaftungen auf der Grundlage des Sicherheitsgesetzes haben die Stimmen der Opposition zum Schweigen gebracht.
Der frühere Premierminister zeigte sich besorgt über das umstrittene Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit, gegen das Lai verstossen haben soll. China breche damit seine internationalen Verpflichtungen, so Cameron. «Es hat Hongkong geschadet und Rechte und Freiheiten erheblich ausgehöhlt. Verhaftungen auf der Grundlage des Gesetzes haben die Stimmen der Opposition zum Schweigen gebracht.»
Ein Sprecher des Pekinger Aussenministeriums wies die Kritik am Montag als «Einmischung» zurück. Lai sei der «Hauptplaner der antichinesischen Unruhen» und «die treibende Kraft hinter dem Chaos in Hongkong», sagte Sprecher Wang Wenbin.
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Bild 1 von 3. Prodemokratische Demonstration im Dezember 2019 in Hongkong. Bildquelle: AP Photo/Kin Cheung.
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Bild 2 von 3. Ein Markenzeichen der Proteste: ein Lichtermeer aus Handylichtern. Bildquelle: AP Photo/Vincent Yu.
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Bild 3 von 3. Der Transporter der Strafvollzugsbehörde, der Jimmy Lai transportiert, am 18. Dezember 2023 in Hongkong. Lai muss sich in einem 80-tägigen Verfahren wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit verantworten. Bildquelle: EPA/BERTHA WANG.
Der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen Deutschland, Christian Mihr, kritisierte das Verfahren gegen Lai. «Kurz vor diesem historischen Prozess ist es wichtiger denn je, dass sich die internationale Gemeinschaft hinter Jimmy Lai stellt», so eine Mitteilung. «Das Gericht muss sich an die Rechtsstaatlichkeit halten und dieses fadenscheinige Verfahren einstellen.»
Ein Land, zwei Systeme?
Seit dem 1. Juli 1997 gehört die einstige britische Kronkolonie wieder zur Volksrepublik China. Hongkong wird nach dem Grundsatz «ein Land, zwei Systeme» regiert.
Diese Vereinbarung sieht eigentlich vor, dass Hongkonger für 50 Jahre bis 2047 «ein hohes Mass an Autonomie» und viele Freiheiten geniessen. Seit der Verabschiedung des Sicherheitsgesetzes reden viele jedoch nur noch von «ein Land, ein System».