- In Bangladesch ist Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus als Chef der Übergangsregierung vereidigt worden.
- Dies zeigten Aufnahmen im örtlichen Fernsehen.
- Der 84-jährige Erfinder der Mikrokredite soll so lange an der Macht bleiben, bis es Neuwahlen gibt.
Wann die Neuwahlen stattfinden, ist unklar. Er ist der Wunschkandidat der Teilnehmenden an den Massenprotesten gegen die Regierung.
Auf dem Wirtschaftsfachmann Yunus – ein entschiedener Kritiker der früheren Ministerpräsidentin Sheikh Hasina – liegen die Hoffnungen, das Land mit seinen mehr als 170 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern aus der Krise führen zu können. Bangladesch könne das Versprechen einer Wiedergeburt erfüllen, meinte Yunus nach seiner Ankunft am Flughafen der Hauptstadt Dhaka, wo ihn Armeechef Waker-uz-Zaman sowie Anführer der Studentenproteste empfangen hatten. Es gebe die Hoffnung, dass die Jugend das Land aufbauen könne. «Bangladesch kann ein wunderbares Land sein.» Seinen Landsleuten rief er zu, die Nation müsse vor Gewalt bewahrt werden.
Die langjährige Regierungschefin war am Montag nach den Massenprotesten und tödlichen Zusammenstössen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften zurückgetreten und mit einem Militärhelikopter zunächst nach Indien geflohen. Bei den Protesten seit Juli starben örtlichen Medien zufolge mehr als 400 Menschen. Nach der Flucht Hasinas wurde die Entscheidung für Yunus bei einem Treffen des Präsidenten Mohammed Shahabuddin mit Vertretern der Protestbewegung und des Militärs getroffen.
Erfinder und Nobelpreisträger
Yunus ist der Erfinder der Mikrokredite. Mit seiner in den 1980er-Jahren gegründeten Grameen-Bank vergab er kleine Darlehen an arme Menschen, die andernfalls keine normalen Bankkredite erhalten hätten, damit sie sich selbstständig machen können. Überall auf der Welt fand er Nachahmer: Als Yunus im Jahr 2006 den Friedensnobelpreis erhielt, gab es Kleinkreditgeber in mehr als 100 Ländern.
Auch bei den Protesten spielte das Thema Armut eine wichtige Rolle. Trotz eines wirtschaftlichen Aufschwungs unter Hasina haben viele Menschen Mühe, über die Runden zu kommen: Die Arbeitslosigkeit und Inflation sind hoch.
Aufgrund einer geplanten, kontroversen Quotenregelung im Staatsdienst fürchteten viele Protestierende, dass der Zugang zu den begehrten Jobs in Gefahr war, was die Proteste auslöste. Das Oberste Gericht drehte die Regelung zwar weitgehend zurück, doch dauerten die Proteste gegen die Regierung an.
Anstatt auf die Bedenken einzugehen, versuchte Hasina, die Proteste mit aller Härte niederzuschlagen. Sie ordnete Ausgangssperren an, blockierte zeitweise das Internet und liess Polizei und Militär aufmarschieren. Daraufhin weiteten sich die Proteste immer weiter aus, und die Demonstrierenden forderten Hasinas Rücktritt, die die vergangenen 15 Jahre ununterbrochen an der Spitze des Landes stand. Menschenrechtsorganisationen warfen Hasina vor, Wahlen manipuliert zu haben und gezielt gegen ihre Gegner vorzugehen. Sie liess Tausende während ihrer Amtszeit verhaften.