Ungarn hat seine Grenze zum südlichen Nachbarn Serbien für Flüchtlinge über Nacht faktisch geschlossen. Und damit nicht genug. Bereits denkt die Orban-Regierung über Erbauung eines neuen Zaunes nach. Auch gegen Rumänien wolle man sich abriegeln, falls eine Veränderung der Flüchtlingsrouten eine solche Umfriedung notwendig machen sollte. Dies erklärte am Nachmittag der ungarische Aussenminister Peter Szijjarto.
Der neue Zaun solle im Drei-Länder-Eck Ungarn-Serbien-Rumänien beginnen und von dort aus entlang einer «sinnvollen» Distanz an der Grenze zu Rumänien errichtet werden, so Szijjarto weiter.
Trügerische Ruhe in Grenzregionen
In der Nacht auf heute Dienstag haben die ungarischen Behörden zunächst in Röszke und Asotholom ernst gemacht. Sie haben die dortigen Grenzübergänge abgesperrt, nachdem zuvor bereits die letzte Lücke im Stacheldrahtzaun geschlossen worden war.
Die Ruhe, die sich in jener Grenzzone nach Mitternacht eingestellt hatte, währte nicht lange. Bald drängten wieder Hunderte Migranten von der serbischen Seite gegen die Absperrung, welche die ungarische Polizei bei Horgos über die grösste Autobahn in das Nachbarland errichtet hatte. Die Menschen schlugen gegen das Metallgitter und riefen «Öffnet die Grenze!», wie ein Journalist der Nachrichtenagentur Reuters berichtete.
Erste Verhaftungen und Hungerstreik
Erste Menschen sind indessen verhaftet worden:16 Flüchtlinge hätten in der Nacht zum Dienstag den Zaun an der Grenze zu Serbien in der Nähe des Übergangs Röszke durchschnitten und die Grenze überquert, berichtete das ungarische Staatsfernsehen. Eine Polizei-Patrouille habe sie festgenommen.
Im Gegenzug haben aufgebrachte Flüchtlinge einen Hungerstreik gegen die Schliessung des Durchgangs begonnen. Einige der 200 bis 300 Protestierenden trügen Schilder mit der Aufschrift «No water no food until open border», so der Bericht der ungarischen Internetzeitung index.hu. Vorher hätten sie dort von ungarischer Seite erhaltenes Essen weggeworfen.
Beschleunigte Asylverfahren
Zwei Transitzonen sind an der ungarisch-serbischen Grenze eingerichtet worden. Dort solle innerhalb weniger Stunden über Asylanträge entschieden werden, sagte ein Regierungssprecher bei einer Medienkonferenz im südungarischen Szeged. Wer keinen Antrag stelle, werde umgehend nach Serbien zurückgeschickt.
Asylbegehren von Flüchtlingen, die nicht in Serbien oder Mazedonien einen Antrag gestellt hätten, würden automatisch abgelehnt. Über die Anträge der Flüchtlinge solle innerhalb von maximal acht Tagen entschieden werden.
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Doppelt umstrittene Abschiebung nach Serbien
Dass die Regierung Orban Serbien zum sicheren Drittstaat erklärt hat, ist den Vereinten Nationen und Menschenrechtsgruppen ein Dorn im Auge. Sie bezweifeln, dass Serbien als sicher gelten kann. Und auch Serbien stösst sich an der verschärften ungarischen Politik.
Der für die Flüchtlinge zustände serbische Minister Aleksandar Vulin sagte, sein Land werde keine Migranten mehr aufnehmen, die bereits auf ungarischem Staatsgebiet gewesen seien. «Das ist nicht mehr unsere Verantwortung», erklärte er. «Sie sind dann auf ungarischem Territorium und ich erwarte von Ungarn, dass sie entsprechend mit ihnen verfahren.»
Krisenfall ausgerufen
Trotz der Grenzschliessung bei Röszke hat die ungarische Regierung in den südlichen Bezirken Bacs-Kiskun und Csongrad den «Masseneinwanderungs-Krisenfall» ausgerufen. Dies erklärte ein Regierungssprecher in Szeged, der Bezirkshauptstadt von Csongrad.
Der «Krisenfall» ermächtigt die zuständigen Behörden in diesen Regionen etwa zu beschleunigten, faktisch rein formalen Asylverfahren. Die Bezirke Bacs-Kiskun und Csongrad grenzen an Serbien.