Das Motto der diesjährigen Generaldebatte ist ein doppeltes: Vertrauen wiederherstellen einerseits, globale Solidarität andererseits. Beides klingt gut, beides ist nötig und bei beidem ist die Welt weitab vom Kurs.
Der Bericht zur Lage der Welt von UNO-Generalsekretär António Guterres hat phasenweise geradezu apokalyptische Züge. Etwa, wenn er eine Welt ausser Kontrolle beschreibt. Die Regierungen der 193 UNO-Mitgliedsländer, aber auch die Weltorganisation selber seien ausserstande, Lösungen zu finden. Die Gräben zwischen Ost und West sowie Nord und Süd würden tiefer.
Er sei mittlerweile ohne Illusionen, sagte Guterres. Kompromiss sei zu einem Schimpfwort geworden. Es gebe immer mehr Konflikte, Chaos und Militärputschs. Die Demokratie sei weltweit in Gefahr, Diktaturen seien auf dem Vormarsch. Beim Klima, Hunger und vielem mehr gehe die Entwicklung in die falsche Richtung.
Optimismus hat es schwer
Und wenngleich nach Guterres Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva vom Glauben in die Menschheit spricht, so wirkt das weniger beschreibend als beschwörend.
Optimismus zu verbreiten, versucht auch US-Präsident Joe Biden. Eben zurück von einem Besuch in Vietnam betont er, dass aus Feinden Partner werden könnten. Während er für die andauernde russische Aggression gegen die Ukraine scharfe Worte findet, setzt er gegenüber China auf Kooperation.
Chinas Spitze abwesend
Doch will Peking dasselbe? Präsident Xi Jinping bleibt der UNO-Generaldebatte fern. Und während Biden spricht, sitzen im grossen Saal der Generalversammlung nicht Chinas Vizepräsident, kein Minister und nicht einmal der Botschafter. Nur zwei junge chinesischen Diplomatinnen hören zu. Symbolik ist in der Weltpolitik wichtig.
Biden streckt die Hand vor allem zu den Ländern des Südens aus. Mit Bekenntnissen zur Reform des UNO-Sicherheitsrats und der UNO-Finanzinstitutionen geht er auf alte Forderungen von Schwellen- und Entwicklungsländern ein. Das ist dringend nötig, zumal sich viele Staaten des globalen Südens zunehmend in Chinas Orbit begeben.
Mit Nachdruck schliesst der US-Präsident, die aktuellen Herausforderungen für die UNO und die Welt seien enorm, doch man müsse und werde sie meistern. Vielen im Saal dürfte sich indes die bange Frage stellen, wie lange dieser für internationale Zusammenarbeit aufgeschlossene Präsident die Supermacht USA noch regiert.
Handlungsfähigkeit stark begrenzt
Richard Gowan, langjähriger UNO-Experte bei der Denkfabrik International Crisis Group, sieht die Lage und Rolle der UNO skeptisch: Sie funktioniere dann gut, wenn die Grossmächte kooperierten, doch diesbezüglich sehe es derzeit schlecht aus. Man könne schwerlich Vertrauen haben in die Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen, wenn just die einflussreichsten Länder mit Veto im Sicherheitsrat zutiefst gespalten seien.
Resultat: In der UNO wird primär gestritten, und die Organisation ist in manchen Bereichen gelähmt. Dort, wo sie noch funktioniert, etwa bei der humanitären Hilfe, fehlt ihr das Geld.
Fast trotzig meinte deshalb Generalsekretär Guterres, er gebe nicht auf. Schliesslich gehe es um einen Kampf ums Überleben. Die UNO sei geschaffen worden, gerade für schwierige und gefährliche Zeiten wie heute. Doch ob sie den Herausforderungen gewachsen ist, ist momentan völlig offen.