Beschönigen hat keinen Sinn und wäre völlig unglaubwürdig. Weshalb UNO-Generalsekretär António Guterres unumwunden einräumt, die Welt sei bloss bei einem Siebtel der 17 Nachhaltigkeitsziele und 169 Unterziele auf Kurs. Fortschritte gibt es etwa bei der Reduzierung der Kindersterblichkeit, beim Zugang zum Internet und zu Elektrizität.
Viel zu wenig bewegt sich hingegen bei der Gleichberechtigung der Frauen, beim Kampf gegen das Analphabetentum oder gegen Kinderehen und beim Klima. Sogar deutliche Rückschritte zu verzeichnen sind bei der extremen Armut und beim Hunger – beides hat seit der Verabschiedung der Ziele 2015 zugenommen. Kurz: In den meisten Bereichen ist man meilenweit oder Jahrzehnte vom Ziel entfernt. Doch es bleiben nur noch sieben Jahre.
Covid und weltpolitische Spannungen
Gründe für die düstere Halbzeitbilanz gibt es viele. Am häufigsten genannt wird die Corona-Pandemie, die besonders arme Länder zurückwarf. Sie leiden zugleich am stärksten unter der durch Russlands Krieg gegen die Ukraine befeuerten Inflation, vor allem bei Energie und Nahrungsmitteln. Gleichzeitig machen die aktuellen weltpolitischen Spannungen ein gemeinsames Vorgehen schwieriger und schaffen neue Prioritäten.
So wird inzwischen auch in Europa wieder kräftig aufgerüstet. Das verschlingt zig Milliarden – Mittel, die dann für Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe fehlen. Und schliesslich gelangte in jüngster Zeit eine Reihe von Regimen an die Macht – die Taliban in Afghanistan, die Militärs in Myanmar, Gabun, Niger, Sudan oder Mali –, die gänzlich andere Ziele haben als Frauenrechte, Schulbildung für alle oder Menschenrechte.
Neue Ziele braucht es nicht
Beschlossen wurde nun auf dem New Yorker Nachhaltigkeitsgipfel eine politische Erklärung – 10 Seiten, 43 Punkte. Immerhin. Und obschon Russland und ein paar enge Getreue im letzten Moment versuchten, die Verabschiedung zu hintertreiben. Neue Ziele enthält das Papier praktisch keine. Es braucht sie auch nicht. Es wäre schon viel erreicht, wenn die Regierungen der 193 UNO-Mitgliedsländer die bisherigen entschlossener anstrebten.
Wirklich neu ist einzig die Ankündigung, die internationale Finanzarchitektur zu reformieren. Will heissen: weniger Dominanz reicher Staaten, mehr Einfluss und Mitsprache für Schwellen- und Entwicklungsländer. Eine alte Forderung, der nun entsprochen werden soll. Ob das den Durchbruch bringt, ist indes völlig offen.
Nichtstun und Frustration sind auch keine Lösung
Zwar wird jetzt am UNO-Sitz einige Zuversicht verbreitet. Doch überzeugend wirkt der Optimismus nicht. Richtig ist aber auch: Nichtstun und Frustration sind auch keine Lösung angesichts des durchaus möglichen Scheiterns.
Tatsächlich ist es mittlerweile höchst unwahrscheinlich, dass die Mehrheit der Nachhaltigkeitsziele bis zum Zieldatum 2030 auch nur annähernd erreicht wird. Bei den früheren, bescheideneren UNO-Millenniumszielen sah es noch deutlich besser aus. Zwar wüsste man, was zu tun wäre. Der Werkzeugkasten ist da. Man weiss auch, welche Finanzmittel nötig wären, nämlich 4.2 Billionen Dollar.
Doch die weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind einfach derzeit zu schlecht, der politische Wille wohl – allen Beteuerungen zum Trotz – nicht gross genug für die erforderliche ganz grosse Aufholjagd. Versuchen muss man es trotzdem. Doch die Aussichten für einen respektablen Erfolg sind nicht gut.