Er hätte 2018 zum Vorzeigeprojekt für die Vereinten Nationen werden sollen: der Migrationsgipfel, der heute in Marokkos Metropole Marrakesch beginnt, und auf dem erstmals ein weltweiter Migrationspakt verabschiedet werden soll.
Doch es kommt anders: etliche Länder wollen dem Pakt fernbleiben, vorläufig auch die Schweiz. Der Gipfel wird nun zur Enttäuschung, manche meinen gar zum Debakel für die UNO.
Nur die USA mit offenen Karten
Von vornherein mit offenen Karten spielten nur die USA: die Regierung Trump will keinen internationalen Migrationspakt, egal was drinsteht, und hat sich konsequenterweise an dessen Ausarbeitung gar nicht beteiligt. Die übrigen UNO-Mitgliedsländer verhandelten aber achtzehn Monate lang intensiv über das Abkommen und hiessen es im Sommer unisono gut.
Bis plötzlich in den vergangenen Wochen etliche Staaten ausstiegen und nun dem Gipfel in Marokko fernbleiben. Darunter der Schweizer Bundespräsident Alain Berset. Obschon die Schweiz den Pakt massgeblich mitgeprägt hat. Ihr UNO-Botschafter in New York amtierte, zusammen mit seinem mexikanischen Amtskollegen, als Ko-Moderator des Verhandlungsprozesses.
Es ist äusserst bedauerlich, wenn sich Staaten abrupt aus einem Abkommen zurückziehen, das sie kurz zuvor noch mitgeprägt und unterstützt haben
«Es ist äusserst bedauerlich, wenn sich Staaten abrupt aus einem Abkommen zurückziehen, das sie kurz zuvor noch mitgeprägt und unterstützt haben», klagt die Generalsekretärin des Migrationsgipfels, Louise Arbour. Und sie betont: «Es handle sich hier nicht einfach um einen Pakt für Zuwanderung jeder Art, sondern für sichere, legale, also reguläre Migration.»
Schwerer Geburtsfehler
Arbour selber, ja die UNO-Führung insgesamt will weiterhin von einem grossen Moment sprechen. Doch mit der Absenz, nicht etwa von Problemländern wie Nordkorea oder Syrien, sondern von demokratischen Rechtsstaaten, leidet der Migrationspakt unter einem schweren Geburtsfehler.
Zwar ist der Vorwurf der Gegner an den Haaren herbeigezogen, der Pakt sei heimlich ausgearbeitet worden; fast niemand habe ein Mitspracherecht gehabt. Tatsache ist:
- die Verhandlungen wurden öffentlich geführt,
- das Ergebnis können spätestens seit Sommer alle lesen,
- Parlamentarier aller Länder wurden zuvor gar eingeladen, sich einzubringen. Bloss: Das Interesse war verschwindend gering.
Ideale Prügelknaben
Stattdessen erwiesen sich der Pakt selber und dessen Fürsprecher als ideale Prügelknaben für Migrationsgegner. Rechtsaussenparteien vernetzten sich in kurzer Zeit und mobilisierten in einzelnen Ländern bis in die politische Mitte hinein. Sie stellten den Pakt erfolgreich dar als Plan zur unbegrenzten Einwanderung.
Entsprechend zeichnet sich nun, anders als der Plan, gewiss kein durchschlagender Erfolg des Migrationsgipfels in Marrakesch ab, eher schon ein Scherbenhaufen.