UNO-Generalsekretär Antonio Guterres wählt die Flucht nach vorn. Er hat keine andere Wahl. Neben dem internen Aufsichtsorgan Oios, eine Art UNO-Geschäftsprüfungskommission, soll sich nun auch eine externe Arbeitsgruppe das Palästinenserflüchtlingswerk UNRWA vorknöpfen.
Leiten wird sie die frühere französische Aussenministerin Catherine Colonna. Beteiligt sind auch drei Denkfabriken aus Skandinavien. Erkenntnisse sollen bald vorliegen: mit einem Zwischenbericht im März und einem Schlussbericht im April. Die Zeit drängt.
Stopp nach Terrorvorwürfen gegen UNRWA-Leute
Denn der UNRWA dürfte schon in wenigen Tagen das Geld ausgehen, nachdem etliche der wichtigsten Spenderländer, allen voran die USA, aber auch Deutschland, Japan oder Grossbritannien, ihre Zahlungen sistiert haben.
Guterres betont, er sei schockiert, dass mehrere UNRWA-Angestellte Hamas-Terrorattacken verübt haben sollen. Weil deswegen der UNRWA die Mittel gekappt wurden, muss er derzeit fast täglich bei den besorgten Geberländern lobbyieren, damit sie das Hilfswerk doch weiter finanzieren. Bisher mit mässigem Erfolg.
Denn es gibt zahlreiche, überaus kritische Fragen an die UNRWA. Zwar räumen selbst die USA ein, die UNO-Organisation spiele die Schlüsselrolle bei der Nothilfe in Gaza. Das unterstreicht Washingtons UNO-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield.
Zukunft ungewiss
Aber nicht nur die USA stellen für die Wiederaufnahme der Zahlungen Bedingungen. Dazu gehört jene internationale Untersuchung, die Guterres verspricht. Einzig wenn deren Recherchen zum Schluss gelangen, nun seien alle Missstände offengelegt und es erfolge entschlossen Remedur, dürften wichtige Geldgeber wieder zahlen.
Gelangt die Kommission indes zu einem negativen Befund, etwa, dass noch weitaus mehr UNRWA-Leute für die Hamas arbeiten oder gar töten, dann steht das Überleben des Flüchtlingshilfswerks auf dem Spiel.
Netanjahu fordert Aus für UNRWA
In Jerusalem sind die Meinungen ohnehin gemacht. Hillel Neuer, der Chef der Israel-nahen und UNO-kritischen Nichtregierungsorganisation UN Watch, beklagte dieser Tage im US-Parlament, die Vereinten Nationen hätten sich stets geweigert, skandalöse Enthüllungen über die Verbandelung von UNRWRA und Hamas sowie die antiisraelische Haltung des Hilfswerks überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu fordert, man müsse die Tätigkeit der UNRWA beenden. Israel blendet dabei konsequent aus, dass es dann als Besatzungsmacht in der Verantwortung stünde, zahlreiche der Aufgaben des Hilfswerks im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich selbst zu übernehmen.
Kein rascher Ersatz möglich
Der Unmut über die UNRWA ist nicht neu. Doch inzwischen ist er derart gross, dass die Frage nach der mittel- und langfristigen Zukunft der Organisation unvermeidbar ist. Diese hochpolitische Debatte wird Jahre dauern. Schnelle Ersatzlösungen sind keine in Sicht.
Kein anderes Hilfswerk vor Ort, nicht Unicef, nicht das IKRK oder andere sind personell und finanziell imstande, sofort in die Bresche zu springen. Die UNRWA sei das Rückgrat der humanitären Hilfe in Gaza, sagt Guterres.
Angesichts der aktuellen humanitären Katastrophe in Gaza ist die UNRWA unersetzlich – bei all ihren Fehlern und Schwächen. Erst wenn der jetzige Gaza-Krieg einmal beigelegt ist, kann und muss die Auseinandersetzung nüchtern geführt werden.