Bis vor wenigen Jahren sah es gar nicht so schlecht aus. Trotz rapidem Bevölkerungswachstum litten von Jahr zu Jahr weniger Menschen Hunger. Das damalige Uno-Millenniumsziel, nämlich bis 2015 den Anteil der Unterernährten zu halbieren, wurde weitgehend erreicht.
Neuerdings verschlechtert sich indes die Lage. «Wir sind weitab vom Kurs beim Uno-Nachhaltigkeitsziel ‹Null Hunger›, räumt der Chefökonom der Uno-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO, Maximo Torero, ein.
Verschlechterung seit der Pandemie
Gemäss neuesten Uno-Zahlen schnellte die Zahl der Hungerleidenden besonders aufgrund der Covid-Pandemie und der dadurch blockierten Handelswege nach oben – und verharrt seither hartnäckig auf diesem hohen Niveau.
Konkret: Rund 730 Millionen Menschen weltweit leiden an Hunger, also jede und jeder Elfte. Dazu sind 2.3 Milliarden betroffen von dem, was die Uno «Ernährungsunsicherheit» nennt, bekommen also zumindest punktuell zu wenig zu essen. «Dass Fortschritte möglich sind, zeigt sich in weiten Teilen Asiens und in Lateinamerika, wo der Hunger abnahm. Doch in der Karibik, im Nahen Osten – und zwar schon vor dem Gaza-Krieg – und vor allem in Afrika, wo zwanzig Prozent der Bevölkerung hungern, läuft es ausgesprochen schlecht», so der FAO-Chefbeamte
Gründe? Krieg, Klimawandel, Wirtschaftskrisen
Drei Hauptgründe dafür nennt er: kriegerische Konflikte, Klimawandel und Wirtschaftskrisen. Besserung ist nicht in Sicht: Die geopolitischen Spannungen lassen eher mehr als weniger gewalttätige Auseinandersetzungen erwarten. Und in vielen Ländern wird das Klimaproblem auf der Prioritätenliste nach hinten durchgereicht.
Dazu kommt, wie Saskia de Pee vom Uno-Welternährungsprogramm betont, dass seit einigen Jahren viel zu wenig Geld für die humanitäre Notversorgung mit Lebensmitteln zur Verfügung steht. Das verschärft das Hungerproblem in Konfliktgebieten zusätzlich.
Gleichzeitig blendet die Uno eine vierte Ursache für das Hungerproblem mancherorts rundweg aus: das demografische Wachstum.
Doch Bevölkerungspolitik ist für die Vereinten Nationen ein Minenfeld. Viele Uno-Mitgliedstaaten lehnen, teils aus religiösen, teils aus ideologischen oder machtpolitischen Gründen, Massnahmen zur Geburtenkontrolle entschieden ab.
Dennoch wollen die Uno-Verantwortlichen nicht nur Pessimismus verbreiten – weshalb die FAO erklärt, das Null-Hunger-Ziel sei nicht völlig unerreichbar, falls man nun entschieden handle. Gleichzeitig räumt Uno-Generalsekretär António Guterres ein: «Wir müssen die Fakten akzeptieren. Und die zeigen, dass viele Versprechungen nicht umgesetzt wurden.»
Finanzieller Druck
Zumal auch wohlhabende Staaten finanziell unter Druck stehen: hoher Schuldenstand, zusätzliche Milliarden für die Verteidigung, soziale Spannungen. Darunter leiden nicht zuletzt die Etats für humanitäre Hilfe.
Wenn die Uno also nun eine neue Finanzierungsarchitektur für Ernährungssicherheit fordert, ist das nachvollziehbar. Doch obschon das Hungerproblem bekannt und akut ist, bleiben solche Forderungen seit Jahren unerfüllt – weil die Umsetzung entweder äusserst komplex ist oder der politische Wille fehlt. Oder beides.