Um nichts weniger als die Zukunft der Menschheit geht es beim «Zukunftsgipfel» der UNO, der am Sonntag in New York begonnen hat. 175 Staaten nehmen teil, viele mit dem Staats- oder Regierungsoberhaupt. Auch die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd hält eine Rede. Was ist vom Gipfel zu erwarten? Antworten vom internationalen Korrespondenten Sebastian Ramspeck.
Wieso lädt die UNO zum «Zukunftsgipfel»?
Es steht nicht gut um die Welt. Wenigstens darauf kann man sich in der UNO einigen. Deshalb hat Generalsekretär António Guterres den «Zukunftspakt» initiiert. Mit dem Dokument sollen die Staaten gemeinsame Lösungen für die drängendsten Menschheitsprobleme aufzeigen. Es geht darin um Krieg, um Armut und Hunger, um den Klimawandel. Aber auch das globale Finanzsystem und die Künstliche Intelligenz sind Themen des «Zukunftspakts».
«Zukunftspakt» klingt nach einem grossen Wurf. Ist er das?
Nein. Seit Anfang Jahr versuchten Diplomatinnen und Diplomaten in den Vorverhandlungen, die Interessen ihrer Regierung durchzusetzen. Viele Vorschläge aus dem ersten Entwurf wurden gestrichen. Zwar bewirbt Guterres den Pakt als «Systemupdate» für eine bessere Welt. Doch viele der darin enthaltenen Absichtserklärungen finden sich bereits in anderen UNO-Dokumenten. Und verbindlich ist der Pakt sowieso nicht, die Staaten müssen ihn nicht befolgen.
Warum tun sich die Staaten so schwer, grosse Probleme gemeinsam zu lösen?
Es ist viel von der «Staatengemeinschaft» die Rede, aber einen Gemeinschaftssinn sucht man in der UNO vergebens. Vielmehr gibt es einen tiefen Graben zwischen Diktaturen wie China und Demokratien wie den USA. Dazu kommt der Nord-Süd-Graben zwischen den reichen Ländern in Nordamerika und Europa und den armen Ländern des sogenannten globalen Südens. Es ist schier unmöglich geworden, über diese Gräben hinweg Lösungen zu vereinbaren. Zumal sich die Machblöcke mit Blick auf den Ukraine- und den Gaza-Krieg gegenseitig vorwerfen, für Unrecht und Elend verantwortlich zu sein.
Der «Zukunftsgipfel» ist also nicht viel mehr als ein grosses Theater?
Der Gipfel ist Teil der UNO-Generalversammlung, und diese ähnelt tatsächlich einem Welttheater. Jeden September treffen sich in New York Präsidentinnen, Regierungschefs und Aussenminister aus der ganzen Welt. Auf der Bühne halten sie aufsehenerregende Reden, hinter den Kulissen absolvieren sie diskrete Treffen. Angekündigt sind auch in diesem Jahr weltpolitische Superpromis: von Biden über Erdogan, Lawrow, Lula und Scholz bis Selenski. Die gute Nachricht: Man redet miteinander. Die schlechte: häufig aneinander vorbei.
Müsste nicht auch die UNO reformiert werden?
Auch das wird Thema sein am «Zukunftsgipfel». Es geht dabei vor allem um das mächtigste UNO-Organ, den Sicherheitsrat. In ihm haben neben zehn nichtständigen Mitgliedern fünf ständige ein Vetorecht, darunter China, Russland und die USA. Die Vetos im Sicherheitsrat lähmen häufig die ganze UNO. Es liegen mehrere Reformvorschläge auf dem Tisch, zum Beispiel die Erweiterung des Rats um zwei ständige Mitglieder aus Afrika oder die Abschaffung des Vetorechts. Doch auch ein solches «Systemupdate» droht fehlzuschlagen – weil die Vetomächte ungern Macht abgeben.