Vilnius, Wien, Prag, Berlin – Pavel Latuschko ist viel herumgekommen in den letzten Tagen und hat europäische Aussenminister und Parlamentarierinnen getroffen. «Das Ziel meiner Reisen war es, unsere Partner darüber zu informieren, wie die Lage in Belarus ist», sagt er im Gespräch mit SRF.
Die Lage ist schlecht. Staatschef Alexander Lukaschenko geht immer härter gegen seine Kritiker vor – insbesondere gegen den Koordinationsrat, ein oppositionelles Gremium, das eigentlich den Dialog mit der Regierung suchen wollte. «Mit Ausnahme von Svetlana Alexjewitsch, der Literaturnobelpreisträgerin, ist vom Präsidium des Koordinationsrates die Hälfte im Gefängnis und die andere Hälfte im Ausland», so Pavel Latuschko.
Hoffen auf Europa
Auch Lutaschko selbst ist nicht mehr in Belarus. Der 47-Jährige hatte der Lukaschenko-Regierung als Diplomat und Kulturminister gedient, doch als er die Gewalt gegen Demonstranten kritisierte und sich dem Koordinationsrat anschloss, geriet er selber ins Visier und musste fliehen. Nun versucht er von Warschau aus, Allianzen zu schmieden.
«Ein sehr wichtiger Punkt ist die Legitimität von Lukaschenko», sagt er. Dessen aktuelle Amtszeit endet am 5. November. «Und angesichts der Wahlfälschungen anerkennen wir ihn danach nicht mehr als Präsidenten an.» Latuschko hofft, dass die Europäer sich dieser Haltung anschliessen.
Das Parlament von Litauen hat bereits einen entsprechenden Beschluss gefasst. Polen und Tschechien tendieren ebenfalls in diese Richtung, führt Latuschko aus. «Für uns ist aber vor allem eine gemeinsame Haltung der Europäischen Union wichtig.» Wenn Europa sich dazu durchringen würde, Lukaschenko nicht mehr als Präsidenten zu behandeln, hätte das weitreichende Folgen, glaubt Latuschko.
Für uns ist aber vor allem eine gemeinsame Haltung der Europäischen Union wichtig.
Dies würde nämlich dazu führen, dass alle Dokumente, die Lukaschenko nach dem 5. November unterschreibt, nicht mehr rechtsgültig seien. Diese gelte insbesondere mit Blick auf die laufenden Verhandlungen mit Moskau.
Treffen mit Putin am Montag
Tatsächlich verhandelt Lukaschenko mit Russland über eine engere Integration der beiden Staaten. Am Montag will er sich mit Wladimir Putin in Sotschi treffen. Latuschko befürchtet, dass der Kreml die Schwäche Lukaschenkos ausnützt, um diesem Zugeständnisse abzuringen. Die Russen könnten die Gelegenheit nutzen, ihren Einfluss im Nachbarland massiv auszubauen. Gleichzeitig betont Latuschko: «Russland ist unser wichtigster Wirtschaftspartner, uns verbindet eine lange gemeinsame Geschichte.»
Alexander Lukaschenko hat die Opposition mehrfach als antirussisch dargestellt. Latuschko weist das entschieden zurück. «Wir wollen, dass Belarus eine Brücke wird, die West und Ost verbindet.»
Ein Problem bleibt aber, dass Moskau dies wohl anders sieht. Russland denkt geostrategisch und will Belarus in seinem Einflussbereich behalten. Dazu passt, dass der Kreml bisher kein Interesse gezeigt hat, mit der Opposition in Kontakt zu treten. Latuschko sagt, er habe mehrfach an den russischen Botschafter in Minsk geschrieben und um ein Gespräch gebeten – ohne Erfolg.
Lukaschenko ist weiterhin an der Macht, der Kreml hat seine eigenen Pläne. Dennoch glaubt Latuschko – wie viele Belarussinnen und Belarussen in diesen Tagen – unerschütterlich an den Sieg.