Emma Arnold-Sägesser aus St. Gallen überlebte den Untergang der Titanic. 1937 spricht sie im Schweizer Radio. Es ist das weltweit älteste Tondokument dieser legendären Schiffskatastrophe.
Aus dem Schlaf gerissen
14. April 1912, kurz vor Mitternacht: Die Titanic kollidiert mit einem Eisberg. Das damals grösste Passagierschiff der Welt sinkt innerhalb von zwei Stunden. «Es gab einen starken Stoss», erinnerte sich die Passagierin in der 1. Klasse, die Schweizerin Emma Arnold-Sägesser.
15. April 1912, 00:10 Uhr: Die Besatzung beginnt, die Evakuierung vorzubereiten. Die Passagiere werden geweckt, die Abdeckungen von den Rettungsbooten entfernt. Erst als der Stewart in die Kabine von Emma Arnold-Sägesser kommt und Schwimmwesten verteilt, ist ihr der Ernst der Lage klar.
Sie sagte Jahre später: «Ich stand vom Bett auf und draussen auf Deck sagte mir jemand, wir seien auf einen Eisberg gestossen. Was das bedeutete, wusste ich nicht. Ich hatte noch nie einen Eisberg gesehen. Dann bin ich nach vorne und sah ihn in greifbarer Nähe.»
Gut 700 Menschen überlebten den Untergang der Titanic, unter anderem diese damals junge Frau aus St. Gallen. 1500 Menschen kamen ums Leben. Dass es um Leben und Tod ginge, habe Emma Arnold-Sägesser hingegen nicht gewusst. «Man sagte uns, wir würden jetzt ausgeschifft, um die Titanic reparieren zu können und wir könnten danach wieder zurückkehren.»
Rettungsboot Nummer 9
Sie kletterte ins Rettungsboot Nummer 9. Im Interview mit dem Schweizer Radio sagte sie, einige hätten im Rettungsboot gebetet, andere geheult. Ihr sei kotzübel gewesen.
Diese Sensation auf Band aufgenommen hat der Radioreporter Arthur Welti. 25 Jahre nach der Schiffskatastrophe, im April 1937, interviewte er im Schweizer Radio die Titanicüberlebende. Zum ersten Mal erzählte sie öffentlich, was sie in jener Nacht erlebt hatte.
Der Radioreporter Arthur Welti erfuhr auch, dass Arnold-Sägesser von der britischen Reederei der Titanic 300 Franken Schadensersatz erhielt. Das Interview mit ihr machte den Reporter landesweit bekannt. Für viele wurde er zum «Radio-Welti».
Historisches Tondokument
Diese Aussagen im Archiv von Radio SRF sind für den Titanic-Spezialisten Günter Bäbler ein wertvoller Schatz, so wie im Riesenschiff auf dem Meeresgrund jahrzehntelang wertvolle Schätze vermutet wurden. Dieses weltweit älteste Tondokument, das von einer Überlebenden der Titanic erhalten ist, sei relevant für die Forschung.
Bäbler ist Präsident des Titanic-Vereins Schweiz und hat mehrere Bücher geschrieben – unter anderem über die Schweizer Passagiere auf der Titanic. Er sagt, heute würde man noch andere Zeuginnen und Zeugen anhören.
Damals, nach dem Untergang, seien nur die Schilderungen der Schiffscrew und der Gäste aus der 1. Klasse relevant gewesen. Überlebende aus den unteren Klassen hätte man gar nicht befragt. Heutzutage wären alle Aussagen wichtig.